fm:messmethoden:mmb03
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fm:messmethoden:mmb03 [09.06.2015 09:33] – [MAT01 Einführung] Dario Tokur | fm:messmethoden:mmb03 [17.11.2017 12:18] (aktuell) – gelöscht Filip Cengic | ||
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- | ====== MMB3 EMG-Messung ====== | ||
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- | ^ Modul | MMB3 EMG-Messung| | ||
- | ^ Kategorie | [[/ | ||
- | ^ Autor | [[/ | ||
- | ^ Voraussetzung | [[/ | ||
- | ^ Bearbeitungsdauer | ca. 60 Minuten | | ||
- | ^ Letzte Änderung | ||
- | ^ Status | ||
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- | ** Lernziele für die Lehre ** | ||
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- | Dieses Wiki wird in der Lehre angewendet. Je nach Veranstaltung sollen nach dem Erarbeiten des Wikis unterschiedliche Kenntnisse erworben werden: | ||
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- | ^ Lehrveranstaltung ^ Lernziel | | ||
- | | PS Forschungsmethoden 2 | - Was ist EMG? \\ - Wie funktioniert ein EMG? (nur Logik, keine Details) \\ - Welche Aussagen können mit Hilfe des EMG getroffen werden? | ||
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- | ===== Einleitung ===== | ||
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- | Die ersten Entdeckungen über den Zusammenhang zwischen Elektrizität und Muskelanspannung gehen auf den italienischen Wissenschaftler Luigi Galvani (1737-1798) zurück. Im Jahre 1791 depolarisierte er Froschschenkel, | ||
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- | Graf Alessandro Volta (1745-1827) erfährt von den Froschexperimenten Galvanis und dessen Interpretation. Er beginnt mit eigenen Untersuchungen und widerlegt Galvanis Aussage über die " | ||
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- | Im Jahre 1838 gelang es dem italienischen Neurophysiologen Carlo Matteucci den elektrischen Strom im Muskel direkt zu messen. Ebenfalls angeregt von den bioelektrischen Experimenten Galvanis war der deutsche Elektrophysiologe Du Bois-Reymond (1818-1896), | ||
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- | ==== Definition ==== | ||
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- | Basmajian (1978, S. 1) definiert die Elektromyografie (EMG) als das Studium der Muskelfunktion anhand von Untersuchung elektrischer Signale, welche von den Muskeln ausgehen: " | ||
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- | ===== Grundlagen ===== | ||
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- | ==== EMG-Einflussfaktoren ==== | ||
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- | Das EMG-Messsignal kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden (Gruber et al., 2009, S. 132): \\ | ||
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- | ^Muskelanatomie | ||
- | ^Physiologie der Muskelfasermembraneigenschaften | ||
- | ^Eigenschaften der mot. Einheiten | ||
- | ^Bewegungsbedingte Faktoren | ||
- | ^Physikalische Faktoren | ||
- | ^Technische Faktoren | ||
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- | Ein vorbeugende Maßnahme zur Reduzierung von Störvariablen ist die adäquate Vorbereitung der Ableitstelle, | ||
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- | ==== De- und Repolarisation ==== | ||
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- | Das Ruhepotential im Zellinnenraum beträgt ca. -80 bis -90 mV und wird über eine Ionenpumpe aufrechterhalten. Die Ionenpumpe befördert für zwei K+ Ionen, die sie in die Zelle bringt, drei Na+ Ionen aus der Zelle nach außen. Dementsprechend befinden sich verhältnismäßig mehr negativ geladene Ionen im Zellinnenraum als außerhalb der Membran. Beim überschwelligen Reiz kommt es zur Veränderung des Ionengleichgewichts und damit des Ruhepotentials (s. Abb. 1). \\ | ||
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- | In Abb. 1 sind die De- und Repolarisationsvorgänge der Muskelfasermembran abgebildet. Zum Zeitpunkt der Depolarisation strömen Na+ Ionen schlagartig in den Zellinnenraum. Die Anzahl positiv geladener Ionen im Zellinnenraum steigt über den Wert außerhalb der Membran und das Zellpotential wird positiv. Anschließend folgt die Repolarisation, | ||
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- | ==== Elektrodentypen ==== | ||
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- | Ein Meilenstein zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Erfindung von Nadeleketroden zur direkten Messung von Aktionspotentialen. Heute findet die Nadel-Elektromyografie überwiegend Anwendung in klinischem Umfeld zur Diagnose von Neuro- und Myopathien. Für sportwissenschaftliche Fragestellungen und für diagnostische Zwecke im Spitzen- und Leistungssport werden Oberflächenelektroden (OEMG) verwendet. \\ | ||
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- | **Exkurs: Nadel-Elektromyografie vs. OEMG:** \\ | ||
- | Die Nadelelektromyografie stellt eine invasive Methode dar. Hier wird die Nadel durch die Haut in den Muskel in die Nähe von Muskelfasern gebracht. Diese Methode ermöglicht es das Rekrutierungs- und Frequenzierungsverhalten einzelner motorischer Einheiten genauer zu untersuchen. \\ | ||
- | Bei der Oberflächen-Elektromyografie wird eine oder mehrere Elektroden auf die Haut über dem Muskelbauch appliziert. Im Gegensatz zur invasiven Methode untersucht das OEMG das Summenpotential möglichst aller motorischer Einheiten (Gruber et al., S. 127). Die Oberflächenelektroden eignen sich nur für große Oberflächenmuskeln (z.B. M. biceps femoris), denn das EMG-Signal wird im Wesentlichendurch die Rekrutierung bzw. Frequentierung bereits aktiver motorischer Einheiten beeinflusst (Cross-Talk). | ||
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- | === Monopolare / bipolare Ableitung === | ||
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- | Elektroden auf der Hautoberfläche nehmen elektrische Signale auf und leiten diese an das EMG-System weiter. Das System sollte in der Lage sein EMG-Signale zu registrieren, | ||
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- | Bei der **monopolaren** Ableitung wird eine einzelne Elektrode über den Muskelbauch und eine Referenzelektrode in einem Bereich minimaler Aktivität (i.d.R. das Ohrläppchen oder ein Knochenvorsprung) etwas entfernt platziert. \\ | ||
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- | Die **bipolare** EMG-Messung verwendet zwei aktive Elektroden, welche in minimalem Abstand zueinander angebracht sind. Es ist die Potentialdifferenz zwischen diesen beiden Punkten, die aufgezeichnet wird. \\ | ||
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- | Das resultierende Potential $\Phi$ ergibt sich aus folgendem Ausdruck: \\ | ||
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- | $\Phi = \frac{I}{4 II \delta} * \frac{1}{r}$ \\ | ||
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- | Das Symbol $I$ steht für die Stromquelle, | ||
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- | Die Differenz der Potentiale liefert berechnet sich wie folgt (Winter, 2009, S. 252): | ||
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- | $\Phi = ( \frac{I}{4 II \delta} * \frac{1}{r_1} ) - ( \frac{I}{4 II \delta} * \frac{1}{r_2} ) | ||
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- | Im abschließenden Tutorial zu diesem Eintrag wird näher auf diese Formel eingegangen. | ||
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- | ===== Signalverarbeitung und -auswertung ===== | ||
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- | Die technische Anwendbarkeit des EMG-Systems stellt sich als relativ unproblematisch heraus. Vielmehr stellt die korrekte Verarbeitung des EMG-Signals hohe Anforderungen an technisch-physiologische Kenntnisse und an Erfahrungswissen des Untersuchenden. \\ | ||
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- | Zur Aufzeichnung der über Oberflächen- oder Nadelelektroden gewonnenen Signale müssen Verstärker mit bestimmten Eigenschaften verwendet werden. Ein solches EMG Signal ist eine Überlagerung von MUAPs (muscle unit action potentials) und sollte unverfälscht, | ||
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- | ==== Konfiguration von EMG-Verstärkern ==== | ||
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- | - Verstärkungsfaktor | ||
- | - Eingangswiderstand | ||
- | - Frequenzantwort | ||
- | - Common-mode rejection | ||
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- | Bei der Einstellung des Verstärkungsfaktors sollte das (Verstärker)Rauschen geringer als 50 μV sein. Dabei darf das verstärkte EMG-Signal nicht den zulässigen Eingangsbereich des Erfassungssystems überschreiten. Der Eingangswiderstand des EMG-Verstärkers muss ausreichend groß sein, um das EMG Signal nicht zu verringern. Nach Winter (2009, S. 259) sind Einflussfaktoren für eine " | ||
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- | Zu beachten gilt, dass die Frequenz-Bandbreite des EMG-Verstärkers alle im EMG-Signal vorhandenen Frequenzen gleichmäßig verstärken sollte (s. Abb. 4). \\ | ||
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- | Oben abgebildet (s. Abb. 4) ist eine 1000fache Verstärkung (60 dB). Die jeweiligen Cutoff-Frequenzen tragen die Bezeichnung $f_1$ und $f_2$. Oft wird die Verstärkung in logarithmischer Form ausgedrückt: | ||
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- | ;#; | ||
- | $Verstärkung\ (dB) = 20 \log_{10}(lineare\ Verstärkung)$ | ||
- | ;#; | ||
- | \\ | ||
- | Der menschliche Körper ist ein guter elektrischer Leiter und fängt somit die elektromagnetische Strahlung der Umgebung ähnlich wie eine Antenne auf. Häufig kommt die elektromagnetische Strahlung aus dem Stromnetz (Kabel, Leuchtstofflampen, | ||
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- | ==== Auswerteverfahren ==== | ||
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- | Um eine korrekte Interpretation des EMG-Signals zu ermöglichen, | ||
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- | **Gleichrichtung** \\ | ||
- | Hierunter versteht sich die Betragsbildung der Amplitudenwerte, | ||
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- | **Glättung** \\ | ||
- | Das Interferenzmuster des OEMGs ist ein Signal mit stochastischen Eigenschaften. Einzelne Amplitudenspitzen unterliegen der zufallsbedingten Überlagerung von Signalen aller erfassten motorischer Einheiten. Eine gängige Glättungsmethode ist die Erzeugung einer Hüllkurve für das gleichgerichtete Signal. | ||
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- | **Filtern** \\ | ||
- | Beim Filtern werden Mess-Signalanteile mit bestimmten Frequenzen eliminiert. Dies ist unproblematisch bei [[/ | ||
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- | **Triggerung** \\ | ||
- | Eine Interpretation von OEMGs ist i.d.R. nur möglich, wenn zeitlicher Bezug vorhanden ist. Zeitgleich zur EMG-Aufzeichnung kann die [[/ | ||
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- | **Mittelwertbildung** \\ | ||
- | Bei einer Vielzahl Bewegungs-Wiederholungen ist es sinnvoll OEMG-Kurven zu mitteln. Nach der Mittelung des Roh-EMGs erhält man über eine große Anzahl an Bewegungsausführungen die systematisch auftretenden Signalanteile. | ||
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- | **Normierung** \\ | ||
- | In diesem Schritt wird das EMG-Signal in Bezug auf die max. Aktivierung relativiert, | ||
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- | ===== Zusammenfassung ===== | ||
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- | ====== Fragen ====== | ||
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- | * Wo liegt der Unterschied zw. Nadel- und Oberflächenelektroden? | ||
- | * Erkläre die bipolare EMG Messung in eigenen Worten. | ||
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- | ====== Literatur ====== | ||
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- | Basmajian, J. V. (1978). //Muscles alive. Their functions revealed by electromyography.// | ||
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- | Gilmore, K. L. & Meyers, J. E. (1983). Using Surface Electromyography in Physiotherapie Research. //The Australian Journal of Physiotherapy, | ||
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- | Gruber, M., Taube, W. & Gollhofer, A. (2009). // | ||
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- | Seyfarth, A. (2012). //EMG Messung//. Präsentationsfolien im Rahmen des PS Messwertaufnahme und -verarbeitung SS 2012. Darmstadt: Institut für Sportwissenschaft. \\ | ||
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- | Tassinary, L. G., Cacioppo, J. T. & Vanman, E. J. (2007). //The Skeletomotor System: Surface Electromyography// | ||
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- | Winter, D. A. (2009). // | ||
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fm/messmethoden/mmb03.1433835199.txt.gz · Zuletzt geändert: 28.11.2022 00:03 (Externe Bearbeitung)