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biomechanik:projekte:ws2012:koerperwahrnehmung

Inhaltsverzeichnis

WP1215 Körperwahrnehmung

Autoren Silke Schindler, Gülsah Kilic, Lisa Arend
Lehrveranstaltung PS Biomechanik
Semester WiSe 2012/13
Voraussetzung Proseminar Biomechanik
Bearbeitungsdauer 40 min.
Präsentationstermin 22.01.2013
letzte Änderung am 28.02.2013


Einleitung

Damit die innere und äussere Körperwahrnehmung verstanden werden kann beschäftigen wir uns zu Beginn des Wiki-Moduls mit der allgemeinen Wahrnehmung des Menschen. Anschließend werden wir uns näher mit der Reizweiterleitung über Nerven auseinandersetzen. Im zweiten Abschnitt werden die verschiedenen Wahrnehmungentypen und dessen Rezeptoren durch ein Schaubild verdeutlicht und einzeln erklärt. Anhand des Volleyballspiels zeigen wir im letzten Teil anhand von einigen Beispielen, wie und warum die Wahrnehmung geschult werden sollte. Freiwillig können einige Sinnesübungen selbst zuhause ausprobiert werden.



Einführendes Beispiel

Das folgende Video zeigt die verschiedenen Wahrnehmungen von blinden Fussballspielern:

Wahrnehmung des Menschen

Es gibt verschiedene Ansätze Wahrnehmung zu erklären, dabei spielen physikalische- (äußere Kräfte wie z.B. Druck), physiologische- (Nervenreize) und psychologische- (eigene Erfahrungswelt) Aspekte eine Rolle. Allgemein ist Wahrnehmung ein Prozess der Informationsgewinnung aus äußeren und inneren Reizen, daraus erarbeitet der Organismus eine anschauliche Repräsentation der Umwelt und des eigenen Körpers. Die verschiedensten Reize werden von unseren Sinnesorganen als elektrische Impulse wahrgenommen und über Nervenbahnen zur weiteren Verarbeitung ins zentrale Nervensystem transportiert, dort werden sie geordnet und ausgewertet. Die physiologische Wahrnehmung ist universell, die Weiterverarbeitung und die Bedeutungszuweisungen können individuell variieren (psychologischer Charakter).

Merke: Das Gehirn ist das zentrale „Sinnesorgan“ des Menschen.

Im weiteren Verlauf werden wir uns mit der physiologischen Reizweiterleitung näher beschäftigen.

Reizweiterleitung über Nerven

Das Nervengewebe dient grundlegend zur Steuerung des Körpers durch rasche Übertragung von Signalen. Dieser Signalaustausch erfolgt über afferente und efferente Leitungsbahnen. Siehe dazu MUS1 Bau und Funktion

Es gliedert sich anatomisch in

Funktionell wird es zudem noch wie folgt unterteilt:

Wichtigstes Bauelement des Nervengewebes sind die einzelnen Nervenzellen (sogenannte Neuronen), sie sind auf Erregungsweiterleitung spezialisierte Zellen. Aufgebaut sind sie aus dem Zellkörper (Zellkern, Zytoplasma, Zellorganellen) sowie den Zellfortsätzen (Dendriten, Axon, Synapsen). Durch synaptische Verbindungen zueinander (Synaptischer Spalt) und durch die Länge der Zellfortsätze (bis zu einem Meter) können Impulse durch den gesamten Körper geleitet werden. Weitere Informationen zum Aufbau und zur Funktion von Neuronen findet ihr hier: http://www.br.de/telekolleg/faecher/biologie/biologie-2-nervenzelle100.html

Wie Reize weitergeleitet werden zeigt das folgende Video. Hier wird anhand des Beispiels zur Druckausübung auf die Haut deutlich gemacht wie ein Reiz über das sensibel/sensorische Nervensystem zum ZNS weitergeleitet wird (afferente Reizweiterleitung). Dort wird er in eine efferente Reizweiterleitung umgewandelt, der Reiz wandert dann über das motorische Nervensystem zum Muskel.

                                                                               verfasst von S. Schindler

Übersicht der verschiedenen Wahrnehmungen & Rezeptoren

Damit Reize vom Körper empfangen werden können sind verschiedene Rezeptoren von Nöten, die folgende Grafik macht die Komplexität des Wahrnehmungssystems deutlich und soll helfen sich einen Überblick zu verschaffen.

                                                               (modifiziert nach rtejournal - Wahrnehmung) 
                                                               

In der obigen Graphik werden folgende Wahrnehmungen beschrieben:

Visuelle Wahrnehmung: „Die visuelle Wahrnehmung umfasst aus physiologischer Sicht die Fähigkeit, optische Reize auszunehmen, zu unterscheiden, zu verarbeiten, einzuordnen und zu interpretieren und entsprechend darauf zu reagieren.“ (Nibis.ni.schule - Wahrnehmungsförderung).

Auditive Wahrnehmung: Die auditive Wahrnehmung umfasst die Fähigkeit, Reize zu unterscheiden und in einen Bedeutungszusammenhang zu bringen. (vgl. Nibis.ni.schule - Wahrnehmungsförderung).

Olfaktorische Wahrnehmung: Die Nase nimmt die Riech- und Duftstoffe wahr, beurteilt über angenehm, unangenehm, sympatisch oder unsympatisch. Die Geruchswahrnehmung wird im Gehirn sehr stark mit Emotionen assoziiert. (vgl. Reich an Sinnen - Die olfaktorische Wahrnehmung).

Vestibuläre Wahrnehmung: Die vestibuläre Wahrnehmung, auch Gleichgewichtssinn genannt, dient für die Aufrechterhaltung des Körpers und für die Orientierung im Raum. (vgl. Nibis.ni.schule - Wahrnehmungsförderung).

„Als Viszerozeption oder auch Enterozeption werden jene Komponenten der Wahrnehmung von Lebewesen bezeichnet, die Informationen über Organtätigkeiten liefern.“ (Lexikon für Psychologie und Pädagogik - Viszerozeption).

Gustatorische Wahrnehmung: Die Zunge nimmt gustatorische Reize über ihre Geschmacksknospen auf. Mit Hilfe der Mundflüssigkeit werden die Stoffe aufgelöst und Reize erkannt. (vgl. DocCheck Flexikon - Geschmackssinn).

Haptische Wahrnehmung: Wird auch Tastsinn genannt, es stellt die Vereinigung von Oberflächen- und Tiefensensibilität dar. (vgl. Science at home - Haptische Wahrnehmung).

Propriozeptive Wahrnehmung (Tiefensensibilität): Die Tiefensensibilität dient der Wahrnehmung über die Stellung der Körperglieder zueinander. Sie gibt uns Rückmeldung über die Muskelkoordination, den Spannungsgrad der Muskulatur und jeder Art von Bewegung. (vgl. Nibis.ni.schule - Wahrnehmungsförderung).

Taktile Wahrnehmung (Oberflächensensibilität): Die taktile Wahrnehmung dient der Wahrnehmung von Druck, Berührung und Vibration, sowie der Temperatur. (vgl. Nibis.ni.schule - Wahrnehmungsförderung).

Kinästethische Wahrnehmung: dient der Stellung der Körperglieder und somit der Körperhaltung. Hierbei sind eine Menge Rezeptoren in den Gelenken, den Muskeln und den Sehnen für die Reizaufnahme zuständig. (vgl. Nibis.ni.schule - Wahrnehmungsförderung).

                                                                                   verfasst von G. Kilic



Veranschaulichung anhand des Volleyballspiels


Sport treiben und erleben ist sehr eng mit der individuellen Sinngebung verbunden. Aus diesem Grund ist es wichtig die Wahrnehmungsfähigkeit zu verbessern und Bewegungserfahrungen zu erweitern. Um die Bewegungsausführungen, vor allem im Sport umsetzen zu können, sind die Sinne entscheidend beteiligt. Gerade die körpernahen Sinne des taktilen, kinästhetischen und visuellen Systems sind entscheidend. Dazu können Wahrnehmungsschulungen hilfreich sein.

Die Rezeptoren der Muskeln, Sehnen, Bände und Gelenke liefern Informationen über Lage und Spannungszustand der Gliedmaßen. Zusammen mit dem Gleichgewichts- und Tastsinn wird die Bewegungsempfindung hervorgerufen. Um die allgemeine und spezielle Bewegungssensibilität zu verbessern, die bei Sportlern ausgeprägter ist als bei Nichtsportlern, ist es ratsam verschiedene Bewegungen/ Bewegungsabläufe zu präzisieren.

Beim Volleyball spielen vorwiegend der Gleichgewichts- und Tastsinn, sowie die Kinästhetik eine große Rolle. Gerade eine schnelle, motorische Reaktionsfähigkeit und ein hohes Koordinationsvermögen sind in diesem Sport von hoher Bedeutung. Um hier die eigenen Sinne zu schulen können verschiedene Methoden angewendet werden. Die folgende Grafik verdeutlicht welche Rezeporen zu den jeweiligen Sinn, bzw. Sinnesorgan gehören und welche Reize sie empfangen:


Beispiele zur Wahrnehmungsschulung…


…für das taktil-kinästhetisches System:

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Oberflächen- und Tiefensensibilität. Hierbei können Bälle aus verschiedenen Materialen und unterschiedlichen Größen verwendet werden. Das Spiel kann außerdem auf unterschiedlichen Bodenbelägen geübt oder der Krafteinsatz beim Spielen des Balls anders dosiert werden.

…für das vestibuläres System:

Dazu können unterschiedliche Gleichgewichts- und Balancierübungen ausgeführt werden, wie das Gehen über den Schwebebalken. Auch das Verlagern des Körperschwerpunktes, wie auf einem Bein stehen oder eine Standwaage halten, schulen das vestibuläre System.

… für das visuelles und auditives System:

Wie kann die Ballflugkurve eingeschätzt werden durch das Sehen? Und wie wichtig sind akustische Signale für ein gutes Volleyballspiel? Dazu kann beispielweise der Hörsinn durch Kopfhörer ausgeschaltet werden.

Weitere Wahrnehmungsübungen zum Volleyballspiel können hier http://www.dslv-brandenburg.de/benutzerdateien/volleyball.pdf entnommen werden


Des Weiteren ist ein wesentlicher Faktor zur Verbesserung des Körpergefühls ist das Übungsumfeld und der Zeitpunkt des Übens. Es sollten möglichst wenige Störfaktoren (Lautstärke, Temperatur,…) vorhanden sein. Wichtig ist genügend Zeit einzuplanen um das „Erfühlen“ des Körpers Aufmerksamkeit schenken zu können. Des weiteren spielen natürlich auch z.B. das Alter oder der allgemeine Gesundheitszustand eine Rolle.

Die verschiedenen Methoden (manuelles Berühren, sensorische Sensibilisierung, Verbalisieren, Visualisieren,…) müssen genauestens ausgewählt werden. Beispielsweise ist die „geführte Bewegung“ (Handling) sehr geeignet um die Sensibilisierung der kinästhetischen Wahrnehmung zu schulen (vgl. Hirtz 2003).


Zusatz

Hier werden zwei Übungen aufgeführt die auch von zu Hause aus durchgeführt werden können:

1. Muskeltonusübungen: Muskeln werden an- und entspannt, die Kraftanstrengung sollte zwischen der Maximalkraft und einer minimalen Anstrengung wechseln.. Bei dieser Übung kann auf vielfache Weise variiert werden. Es können isometrische, dynamisch-kräftigende, sowie Dehnübungen angewand werden. Die Ausgangslage kann auf dem Rücken, im Stehen oder im Sitzen erfolgen. Die Art der Ausführung ist ebenso variabel: linear, parallel, spiralförmig oder rotatorisch.

2. Eine Übung die man seit Kindheitstagen kennt ist, sich gegenseitig Zahlen, Buchstaben oder ganze Wörter mit dem Finger auf den Rücken zu schreiben und diese zu erraten.

                                                                                   verfasst von L. Arend



Eigener Standpunkt


Bei unserer Recherche ist uns aufgefallen, dass Wahrnehmungsförderung bzw. Sinnesschulung vor allem in der frühkindlichen Förderung sowie bei geistig und körperlich behinderten Menschen eingesetzt wird. Zudem wird es auch immer mehr im Schulsportunterricht angewandt. Hierzu findet man im Internet, sowie in der Literatur ausreichend viele Anwendungsbeispiele. Wir betrachten diese Entwicklung der letzten Jahre als durchweg positiv und dringend notwendig. Weiter sollte sich auch im Rahmen jeder sportlichen Ausbildung vermehrt mit der Funktion des Nervensystems auseinandergesetzt werden, denn dessen Funktion bildet die Grundbasis für Wahrnehmung und Körpergefühl.

Leider wird der „erwachsene Freizeitsportler“ in Verbindung mit kinästhetischen Training in der Literatur kaum erwähnt, obwohl diese Art des Sporttreibens durchaus effektiv ist. Gerade im Freizeitspport ist die Gefahr von Verletzungen sehr hoch, auch weil sich das Bewegungsgefühl und der Bezug zum eigenen Körper in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hat. Wir denken, dass durch das Bewusstmachen der Körperbewegungen und -vorgänge (z.B. Atmen) die körperlichen Stärken und Schwächen erkannt werden und gezielt daran gearbeitet werden kann. Die Bewegungen beim Sport und im Alltag werden somit sicherer, können selbstständig wahrgenommen und wenn nötig korrigiert werden.

Um eine Sportart präzisieren zu können, erscheint es für uns duchaus hilfreich mit verschiedenen Übungen die Sinneswahrnehmungen zu schulen. Das Lebensalter spielt für uns hierbei keine Rolle. Das innere Bild der Körperhaltung wird ergänzt und durch die schnelle und präzise Wahrnehmung die Ausführung der Sportart perfektioniert. Aber nicht nur beim Sport ist eine verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit sinnvoll, auch im Alltag wird die Umwelt bewusster, achtsamer, feinfühliger und aufgeschlossener wahrgenommen.


Wer sich weiter mit diesem Thema beschäftigen möchte, dem empfehle ich von Prof. Dr. Klaus Wiemann Bewegungswahrnehmung und Bewegungsvorstellung im Sport. Die pdf kann hier abgerufen werden: http://www.biowiss-sport.de/beweg_wahr_vor.PDF


Fragen

  1. Beschreibe die afferente Reizweiterleitung und finde ein Beispiel.
  2. Nenne fünf Wahrnehmungssinne und beschreibe diese.
  3. Beschreibe das taktil-kinästhetische System.
  


Weiterführende Informationen


Literatur

Einführung Wahrnehmung. Abgerufen am 20.11.2012 http://www.uni-due.de/edit/lp/common/einf_wahrnehmung.html

Rtejournal.Wahrnehmung.Abgerufen am 08.12.2012 von http://www.rtejournal.de/ausgabe4/1160/dippArticle-6.png.

Nibis.ni.schule. Wahrnehmungsförderung. Abgerufen am 08.11.2012 von http://www.nibis.ni.schule.de/~as-ver /fach/sport/methode/wahrnem/wahrnehm.htm.

Reich an Sinnen.Olfaktorische Wahrnehmung.Abgerufen am 12.11.2012 von http://www.reich-an-sinnen.de/wahrnehmung/wahr_olfaktorisch.htm.

Lexikon für Psychologie und Pädagogik.Viszerozeptoren.Abgerufen am 12.11.2012 von http://lexikon.stangl.eu/8403/viszerozeption/.

DocCheck Flexikon.Geschmackssinn.Abgerufen am 12.11.2012 von http://lexikon.stangl.eu/8403/viszerozeption/.

Science at home.Haptische Wahrnehmung.Abgerufen am 12.11.2012 von http://www.science-at-home.de/lexikon/lexikon_det_00080602000011.php.

Fritzenberg, Martin.Unterrichtsvorhaben:Mit allen Sinnen Volleyball spielen.Abgerufen am 01.12.2012 von http://www.dslv-brandenburg.de/benutzerdateien/volleyball.pdf.

Hirtz, Peter. Bewegungskompetenzen.Bewegungsgefühl. Verlag Karl Hofmann. 2003.

Ruhr Universität Bochum. Referat von Böhmisch, Mike. http://www.volleyball-training.de/material/kinaesthetische_wahrnehmung.pdf//Abgerufen am 14.01.2013.

Betz, Eberhard u.a.: Biologie des Menschen: Lehrbuch der Anatomie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte; Nikol Verlag; Hamburg 2007

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