Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


biomechanik:projekte:ws2018:wp1802

Dies ist eine alte Version des Dokuments!



Warning: Undefined array key 1 in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/imagebox/syntax.php on line 24

Warning: Undefined array key "h" in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/imagebox/syntax.php on line 55

Warning: Undefined array key 1 in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/imagebox/syntax.php on line 24

Warning: Undefined array key "h" in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/imagebox/syntax.php on line 55

Warning: Undefined array key 1 in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/imagebox/syntax.php on line 24

Warning: Undefined array key "h" in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/imagebox/syntax.php on line 55

WP1802

Modul-Icon
Modul-Titel WP1802 Körpergesten
Veranstaltung Körperinszenierung und Biomechanik
Autor Gheleyemi-Hovizavi, Saara; Ott, Sebastian H.; Wehr, Laura
Bearbeitungsdauer 45 min
Präsentationstermin 28. Januar 2019
Status Fertig
Zuletzt geändert 14.02.19


Nonverbal kommunizieren ?!

Menschen kommunizieren wortlos, doch welche Rolle spielt unser Körper dabei?

Beim ersten Gedanken an den Begriff Kommunikation, werden Menschen an den direkten Dialog oder eine Konversation zwischen mehreren Personen denken. Worte werden ausgetauscht, je nach Situation wird dem Gesprochenen auch durch Gestikulieren oder einer hochgezogenen Augenbraue Nachdruck verliehen. Miteinander zu kommunizieren kann demnach also auch wortlos geschehen. Versucht man explizit nonverbales Kommunizieren auf eine Definition zu reduzieren wird schnell klar: Es gibt vielzählige Wege der Verständigung wie wir Botschaften en- und auch dekodieren. Ob über Kleidung, Traditionen, Kunst oder im Alltag – wir drücken uns auf komplexen aber auch subtilen Wegen aus, die weitaus umfassender sein können als das gesprochene Wort.

Welchen Beitrag leistet der Einsatz von Gestik zu nonverbaler Kommunikation? Durch das Hinzufügen einer Körpergeste betonen und verstärken wir unseren aktuellen Gefühlszustand oder verdeutlichen die Wichtigkeit eines Ereignisses. Nicht nur während der Konversation oder der schriftlichen Kommunikation, auch bei gesellschaftlichen Ereignissen oder öffentlichen Versammlungen wie etwa im Sport oder der Politik, bietet uns unser Repertoire an Körpergesten eine grenzenlose Erweiterung dessen, was wir ausdrücken möchten.

Zu Gestikulieren kann als eigenständiges Kommunikationsmittel erfolgreich sein oder auch mimische Botschaften einer Person verstärken und umgekehrt. Wann also können Körpergesten unabhängig von mimischer Untermalung funktionieren? Können Körpergesten auch losgelöst von Kontext und Sprache funktionieren?

Daher soll nachstehend erörtert werden inwiefern der menschliche Körper an der Kommunikation im Alltag, Sport und Politik partizipiert und wie sich dieses in den verschiedenen Gebieten ausdrückt. Zu Beginn wird die Kommunikation im Alltag, mit Varianten der modernen Kommunikation wie Whatsapp analysiert und betrachtet. Danach verschiedenen nonverbale Gesten im Sport mit Beispielen bekannter Sportler. Zum Schluss wird eine im Kalten Krieg sehr bedeutende Geste Willy Brandts in Warschau betrachtet und auf die Bedeutung von nonverbalen Gesten im politischen Kontext analysiert.

Verfasst von Laura Wehr, Sebastian Ott, Saara Gh.-Hovizavi

Gesten als Kommunikationsmittel im täglichen Gebrauch digitaler Medien

Bisherige Grundlage für nahezu jegliche Kommunikationsforschung in der Psychologie oder Soziologie basieren auf der sogenannten Kanaltheorie, die von den US-amerikanischen Mathematikern Claude Shannon und Warren Weaver entwickelt wurde. Dieser Theorie zufolge gibt es drei wesentliche Komponenten für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen zwei Personen: Sender, Empfänger, Nachricht. Körperliche Beteiligung um Botschaften zu de- oder encodieren, ist für die beiden Mathematiker ausgeschlossen. Die Theorie versagt für Storch und Tschacher bereits bei einer Überlegungen die sie anstellen, welche auch für die Kommunikation über digitale Medien zutreffend ist, denn sie sagen, dass: „… im Allgemeinen ein Teil des psychischen Geschehens unbewusst verläuft,…viele Menschen sind sich über ihre Bedürfnisse und Motive nicht im Klaren und können darum im Speziellen auch nicht präzise wissen, was für eine Botschaft sie senden. Ebenso können sie darum auch nicht präzise einschätzen, wann ihre Botschaft vom Empfänger verstanden wurde.“ Sie weisen mit dem Begriff embodied communication darauf hin, dass: „die Psyche immer in einem Körper eingebettet ist.“

Unser Körper ist demnach ein Kommunikationsmittel, dem wir uns nicht entledigen oder es bewusst ausschalten können. Dies gilt aber in erster Linie für jene Kommunikationsweisen, in der Personen körperlich präsent sind. Dennoch macht es den Anschein, dass wir in digitalen Räumen nicht auf unseren Körper als Kommunikationsmedium verzichten können.

1969 stellen Paul Ekman und Wallace V. Friesen ein Modell vor, welches nonverbales Verhalten unter Menschen klassifiziert und auch auf unsere heutige digitale Kommunikationsformen angewendet werden kann. In Bezug auf vermeintlich sprachliche Kommunikation – heute in Form von sogenannten Emojis oder Emoticons – sind die sogenannten Embleme diejenigen Zeichen, die sich direkt auf körperliche Kommunikation übertragen lassen. Sie können als ikonische Bildzeichen gelesen werden, was bedeutet, sie haben einen semantischen Inhalt der kulturell bedingt und meist bereits in frühester Kindheit erlernt ist. Hierbei handelt es sich um verbildlichte nonverbale Zeichen, die

„…selbst eine eindeutig kodierte, meist sprachlich übersetzbare Bedeutung haben und im Allgemeinen bewusst und in kommunikativer Absicht eingesetzt werden. Embleme erhalten nicht erst in Beziehung auf ein paralleles verbales Geschehen eine Bedeutung, sondern sie können auch eine sprachliche Äußerung ersetzen.“

Der Bedeutungsinhalt muss jedoch von Sender und Empfänger gleichwertig verstanden werden können. Das Emblem kann also in seiner Bedeutung auf zwei Wegen eingesetzt werden. Ein Emoji wie z.B. der angespannte, muskulöse Arm kann neben dem eigentlichen Körperteil, auch einen Bedeutungsinhalt der Stärke, Sportlichkeit oder als Drohung transportieren. Des Weiteren können sogenannte Adaptoren Verhaltensweisen – die überwiegend über die Hände kommuniziert werden – darstellen und keiner interaktiven Kommunikation dienen, sondern beispielsweise lediglich ein Kratzen an der Schläfe ausdrücken, aber nicht als explizit bewusste Botschaft klassifiziert werden können.

Abb. 1: Whats-App: Gruppenchat-Auszug, 10.08.2019 \\

Die Socialmedia-Plattform Instagram oder auch der Instant-Messenger Whats App bieten dem/r NutzerIn die Möglichkeit via Text, Foto, Video, GIF (Graphic Interchange format) oder Sprachaufnahme mit Menschen weltweit in Kontakt zu treten und dessen ‚Identität‘ auf einem eigenen Profil zu inszenieren. Diese Form der Kommunikation ist weitverbreitet und weist einige Parallelen zur verbalen, interpersonellen Kommunikation auf. Das alles wird vereinfacht durch die mobile Nutzung von Smartphones die es auf Grund ihrer Tastatur und wiederum deren Analogie zu einer Computer-Tastatur ermöglichen, Texte schnell zu tippen und durch Emojis zu erweitern. Digitale und direkte Kommunikation ist also durch Whats App noch schneller und unbegrenzter geworden.

In Abb.1 wird ein Auszug einer Unterhaltung zwischen zwei Familienmitgliedern Smiley versehen, die Senderin Mimi möchte ihre Botschaft somit als positives oder freudiges Ereignis mitteilen. Anita antwortet hierauf ohne Text und bewertet diese Aussage nur mit zwei Emojis. Eine Hand mit ausgestreckten Daumen der nach oben zeigt ist bereits für Kleinkinder ein Zeichen für: Gut; gut gemacht oder weiter so. Die Körpergeste ersetzt eine Antwort in Form von Text, da die beiden Kommunikationspartnerinnen den gleichen kulturellen Zeicheninhalt dieses gestreckten Daumens gelernt haben und verstehen.

Abb. 2: Handstand. Zgung, Abb. 3: Handstand. Zgung, 13.08.2019 Instagram
AP-Archiv

Die Nutzerin Lenka Minarikova die hinter dem Profilnamen zgung steht, ist Yoga-Lehrerin und der Inhalt ihres Profils und Feeds auf Instagram beinhaltet ausschließlich Posts zu dieser Sportart. Die beiden oben abgebildeten Screenshots sind ein Ausschnitt zweier Videos welche sie in ihrer Story – eine temporäre Sammlung von Posts die nach 24 Stunden automatisch gelöscht werden – veröffentlichte. Den linken Ausschnitt von Abb.2 dieser kurzen Videos (jeweils 5 Sekunden) versah sie mit einer Erklärung oder fast schon Rechtfertigung in Form eines Textes der übersetzt aus dem Englischen lautet: „Versagen ist Teil des Prozesses, eine/n LehrerIn zu finden ist essentiell, wenn du Angst hast zu versagen und Beratung brauchst.“ Am Ende des Textes ist ein Emoji abgebildet. Es bildet einen digital gezeichneten, gelben, muskulösen Oberarm mit geballter Faust und deutlich sichtbarem Bizeps ab. Auch in der direkten interpersonellen Kommunikation oder einer Konversation zwischen Menschen die sich gegenüberstehen, wird der Oberarm als ein Zeichen von Stärke verständen, wenn er angespannt und hochgehoben wird. Auch im sportlichen Kontext des Yoga von Minarikova wird das signalisiert. Jedoch kann der Text in ihrem Video nicht losgelost davon betrachtet werden, denn das Video zeigt sie selbst in einer Übung – im Yoga sogenannte Assanas – wie sie einen Handstand macht und ihr Körper somit von ihren Armen in der Luft getragen wird. Der Oberarm verkörpert hier im wahrsten Sinne, den starken Arm der den Körper in der Luft trägt und gleichzeitig soll er als gestische Ergänzung im Text dazu ermuntern, auch bei Fehlschlägen in der Yogapraxis weiter zu üben und sich gegebenenfalls Hilfe zu suchen.

Der rechte Screenshot (Abb.3) bildet eine Weiterführung ab. Zu sehen ist ebenfalls eine Momentaufnahme des Kurzvideos mit Unterschrift. Hier steht Minarikova weiterhin im Handstand und untertitelt ihre Aufnahme mit der Aufforderung: „Aber du musst viel öfter allein üben als mit deinem/r LehrerIn.“ Hinter dem Text befindet sich ein weiteres Emoji, es zeigt den Oberkörper einer Frau mit einem gehobenen Arm dessen Handinnenfläche horizontal von ihrem Körper wegdreht ist. Es scheint, als würde Sie ein imaginäres Tablett halten. Hier wird eine repräsentative Geste durch ein Emoji imitiert. Minarikova serviert also buchstäblich ihren FollowerInnen ihren zuvor genannten Hinweis auf einem Tablett.

Eine signifikante Gemeinsamkeit, die der Hypothese von Storch und Tschacher recht gibt liegt darin, dass das digitale Kommunizieren auf Socialmedia-Kanälen oder indirekten Nachrichtendiensten nicht auf Körpergesten verzichten kann. Selbst im virtuellen Raum und digitalen Dialog mochte man den eigenen Worten eine spezifische Bedeutung geben und seinen Körper einsetzten. Die durch die Emojis entstandenen Möglichkeiten Körpergesten auch in Texte einzubetten, macht klar, dass wir nonverbale und verbale Kommunikation nicht getrennt voneinander betrachten können, weil sie nicht getrennt voneinander praktiziert werden.

Im Folgenden werden einige Beispiele untersucht und Körpergesten vorgestellt, die zum einen sportlich weiterverbreitet oder politisch aufgeladen sind und vielleicht sogar völlig losgelost von einem Sender-Empfänger-Modell verstanden werden können.

Verfasst von Laura Wehr


_

1 Vgl.: Storch, Maja; Tschacher, Wolfgang: Embodied Communication. Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf. Bern: Hans Huber, 2014. S. 10. 2 Ebd.: S. 9
3 Ebd.: S. 28 ff
4 Vgl.: Schönherr, Beatrix: Syntax, Prosodie, nonverbale Kommunikation. Empirische Untersuchungen zur Interaktion sprachlicher und parasprachlicher Ausdrucksmittel im Gespräch. S. 35
5 Schönherr, Beatrix: Syntax, Prosodie, nonverbale Kommunikation. Empirische Untersuchungen zur Interaktionsprachlicher und paarsprachlicher Ausdrucksmittel im Gespräch. In: Henne, Helmut; Sitta, Horst; Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.): Germanistische Linguistik, Band 182. Tubingen: Niemeyer, 1997 S. 35
6 Vgl.: Ebd. S. 35
7 https://www.instagram.com/zgung/: letzter Abruf: 13.08.2019
8 Schlenzig Button, Nina: Das Fenster zum Geist. In: Zeit Online: Wissen. 2010. https://www.zeit.de/zeitwissen/2011/01/Gesten-Neu/seite-2 (letzter Abruf: 13.08.2019)

Gesten im politischen Kontext!

Abb.5: Willy Brandts Kniefall. 7.12.1970. Warschau/ Polen.
AP-Archiv

Bilder sagen mehr als 1000 Worte – Sagen Bilder mehr als 1000 Worte?

Gesten begleiten unser tägliches Miteinander ständig. In jeder direkten und indirekten Konversation sind sie meist vorhanden. Gesten beeinflussen unser emotionales Auffassen der Kommunikation, im Alltäglichen, im Sport sowie auch in politischen Kontexten. Warum sind jedoch auch in der Politik Gesten von Bedeutung? Anhand des Beispiels des Willy Brandts Kniefall vor dem Denkmal für die ermordeten Juden in Warschau 1970 lässt sich wohl eine der emotionalsten und bedeutungsvollsten Gesten der Nachkriegsgeschichte beschreiben. Nach der Kranzniederlegung kniete Willy Brandt vor dem Denkmal der ermordeten Juden in Warschau und schwieg. Welche Bedeutung hatte diese Geste Brandts und warum hielt Willy Brandt nicht lediglich eine angemessene Rede ohne Kniefall?

In der Politik ist die Übermittlung von politischen Inhalten und Standpunkten ein wichtiger Punkt um Emotionen und Sachverhalte einem/r RezipientenIn zu übermitteln. Nicht nur in dem stark medialen Zeitalter des 20. und 21. Jahrhundert waren oder auch sind Gesten von Bedeutung einer schnellen opportunen Darstellungsweise. Bereits bei den Römern waren Gesten kulturell kodiert und mit einer bestimmten Emotion behaftet. „Politische Emotionen in Rom waren daher der rationalen Politik nicht entgegengesetzt. Sie waren deren Basis.“ Durch die Selbstinszenierung der Herrscher oder auch der Ergebenen und Besiegten wurden allgemeine emotionale Botschaften nur durch das Gesehene verbreitet und fungierten als Bestärkung des eigentlich geschehen. Ein Sieg wird als Sieg bereits durch den Sieg klar, jedoch durch eine Gestik aufgewertet. Überleitend von den Römern kann die Geste der Kranzniederlegung bereits als Respekt und Anteilnahme am Geschehenen gedeutet werden. Durch den Kniefall verstärkt sich die emotionale und persönliche Anteilnahme Brandts, die dem ‚Urteilenden‘ eventuell zuvor nicht bekannt gewesen war und unterstützt die Aussage Prof. Dr. Marcus Maurers (Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Kommunikation), dass Gestik eine Urteilsgrundlage in der politischen sowie der allgemeinen Kommunikation sei. Sie soll das Meinungsbild über den Sachverhalt sowie die Meinung über den/ die PolitikerIn beeinflussen und auch lenken. Eine Sichtbarmachung von Emotionen?

Politikerinnen und Politiker sind bestenfalls vom Volke gewählt worden um Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen der Bevölkerung umzusetzen und in die Gemeinschaft einzubauen. Symbolisch gesehen sind PolitikerInnen „eine Projektionsleinwand für kollektive Erwartungen […]“. Um diese Erwartungen gerecht zu werden und zu bekräftigen, verhelfen sich PolitikerInnen verschiedenster Visualisierungen um die Erwartungen dem Rezipienten zu vermitteln. Nonverbale Informationen, wie Bilder, Filme oder Emotionen, verbleiben meist länger in Erinnerung als verbale Informationen. Durch solche beabsichtigten Gesten soll eine persuasive Botschaft übermittelt werden und Sachverhalte durch visuelle Darstellung ‚eindeutig‘ veranschaulicht werden.

Der/ die BetrachterIn nimmt die Inszenierung somit als realer wahr, da das künstlich erzeugte Bild mit eigenen Augen gesehen und empfunden wird. Eine weitere Anziehungskraft liegt wahrscheinlich auch in der zeitlichen Wahrnehmung zwischen nonverbaler und verbaler Wahrnehmung. Dem Gesagten steht oft das Gesehene davor. Neben der direkten nonverbalen politischen Kommunikation eines/r PolitikerIn, beschreibt Maurer des Weiteren auch die Wichtigkeit der Gestik und Mimik eventueller Dritter des Geschehens, welche die RezipientenInnen beim ersten Blick eine Situation stärker beeinflussen soll. (Maurer 2016, S. 122) Neben der Bedeutung Dritter an einem Geschehen, deren Gestik und Mimik die Rezipienten beeinflussen, ist auch der Handlungsort von Bedeutung und kann einer Gestik eine andere Wirkung vermitteln: Eine Begrüßung zweier PräsidentenInnen bei einem internationalen Kongress lässt eine andere Emotion entstehen, wie im Gegensatz das Händeschütteln eines PräsidentenInnen in einem ländlichen Wählerkreis einer bestimmten Partei. Peter Siller, Scientific Manager an der Goethe Universität Frankfurt, geht auf die Komplexität der Auftritte und der damit verbundenen inszenierten Darstellung von PolitikerInnen ein. Große oder kleine Reden und bestimmte Themen könnten den WählerInnen viel abverlangen und sind nur bedingt kurz verbal übermittelbar. Je nach Themengebiet und Komplexitätsgrad kann eine verbal vermittelte Information die Zuhörerinnen und Zuhörer mitreißen, verwirren oder auch langweilen. Ein Bild, demnach eine Geste des/r jeweiligen PolitikerIn „führt damit zu einer Reduzierung von politischer Komplexität“ da sie als Inbegriff des eigentlich gesagten gelten und somit von möglichen RezipientenInnen schneller implizit gedeutet werden kann. Siller spricht hier von einer Entlastung von komplizierten Fakten und Argumenten.

Zur Gestik gehörend wird jedoch auch die Mimik vereinnahmt. Die Mimik kann zudem als „der wichtigste Bereich des Körpers für nonverbale Signale“ beschrieben werden. Anzunehmen ist auch, dass durch die schwer kontrollierbaren Eigenschaften des Gesichtes, wie das Augenzucken und Blinzelns in bestimmten Momenten der Grund dafür ist. In Anbetracht Willy Brandts Gesichtsausdruck beim Kniefall ist eine Unterstreichung der Gesamtsituation zu bemerken. Sein Gesichtsausdruck beeinflusst maßgeblich die Ernsthaftigkeit der Situation und das Mitgefühl. Durch eine veränderte Mimik hätte die Botschaft verändert werden können. Ein lächelndes Gesicht in demütiger kniender Haltung entkräftet die Gesamtsituation völlig und übermittelt somit eine andere Emotion. Auf den Psychologen Prof. Albert Mehrabian geht die Annahme zurück, dass 55% der Kommunikation zwischen zwei Menschen die Körpersprache ausmacht, 38% über Ton und Stimme transportiert wird und nur 7% über den Inhalt. Durch Inkonsistenzstudien konnte man in den 1960 und 1970 Jahren die Dominanz der Mimik und Gestik gegenüber dem gesprochenen Inhalt aufführen. Hierbei wurden Studien durchgeführt bei welchen ein positives Wort mit einem negativen Gesichtsausdruck gesagt wurde, sowie auch umgekehrt. Bei der beschriebenen Studie wurde demnach die Dominanz der Mimik bestätigt. Die Inkonsistenzstudien Mehrabians werden jedoch auf Grund von Beeinflussung der TeilnehmerInnen sehr kritisiert. Lässt sich die Kraft der Körpersprache und der damit zusammenhängende Emotions- und Inhaltsübermittlung von Gesten überhaupt messen?

Dr. phil. Siegfried Frey, Professor für Kommunikations- und Medienpsychologie, stellte in seinen Forschungen fest, dass übermäßig häufige Gesten in einem bestimmten Zeitraum negativ für das Empfinden der Rezipienten sind. Speziell die Arm- und Handbewegung ließ die RezipientenInnen die für sie nonverbale Rede als weniger verträglich wirken. Hingegen wurde „die Wahrnehmung von Gewissenhaftigkeit von den Bewegungsmustern nicht beeinflusst“. Diese Erkenntnis in Bezug auf die nonverbale Kommunikation des Politiker Willy Brandt mit seinem Kniefall vor dem historisch wichtigen Denkmal lässt auf eine gewünschte Übertragung von Emotion und Darstellung als Verbildlichung der verbal ausgedrückten Informationen rückschließen.

Gerade im 21. Jahrhundert sind Medien jeglicher Form von enormer Bedeutung, unter anderem auch in der Politik. Das Weiterreichen von Botschaften gilt als elementar für das Erreichen von politischen Entscheidungen. Siller beschreibt diese Beeinflussung der Gesten und Bilder im politischen Kontext als „Mediendemokratie“. Medien wie Online-Zeitschriften, Fernsehen, Facebook und dem rein visuellen Instagram bedingen schon fast einer Selbstinszenierung der politischen Persönlichkeit, um einer wie von Siller beschriebenen „Machtmaximierung“ nachzukommen. „Mediengeschicklichkeit und Medienpräsenz sind zu zentralen Voraussetzungen politischer Einflussnahme geworden.“

Verfasst von Sebastian H. Ott


21 Behrens, Alexander, „Durfte Brandt knien?“. Der Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische Vertrag; Bonn 2010, S. 9–11.
22 Flaig, Egon, Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, 2. Aufl., Göttingen 2004, S. 121.
23 Ebd. S. 121
24 Maurer, Marcus, Nonverbale politische Kommunikation, Wiesbaden 2016, S. 80.
25 Laux, Lothar/Astrid Schütz, „Wir, die wir gut sind“. Die Selbstdarstellung von Politikern zwischen Glorifizierung und Glaubwürdigkeit, München 1996, S. 146.
26 Maurer, Nonverbale politische Kommunikation, S. 122.
27 Ebd. S. 122.
28 Ebd., S. 124.
29 Flaig, Ritualisierte Politik [wie Anm. 2], 120 f.
30 Siller, Peter (Hg.), Politik als Inszenierung. Zur Ästhetik des Politischen im Medienzeitalter, 1. Aufl., Baden-Baden 2000, S. 11.
31 Argyle, Michael, Körpersprache Kommunikation. Nonverbaler Ausdruck und soziale Interaktion, 2013, 201 f.
32 Maurer, Nonverbale politische Kommunikation, S. 111.
33 Frey, Siegfried, Die Macht des Bildes. Der Einfluss der nonverbalen Kommunikation auf Kultur und Politik, Bern/Seattle 1999, S. 137.
34 Siller, Politik als Inszenierung, 14 f.
35 Ebd., S. 14.

Fazit

Inwiefern partizipiert nun der menschliche Körper bei der Kommunikation im Alltag, Sport und der Politik? Um verbale Kommunikation zu bekräftigen und Nachdruck zu verleihen ist die nonverbale Kommunikation fast schon unerlässlich. Wie auch im Alltag und im Sport analysiert, ist auch im politischen Segment, in welchem oftmals lange und komplexe Informationen debattiert und vermittelt werden, die nonverbale Kommunikation ein wichtiges Hilfsmittel der Weitergabe von Inhalten. Jedoch ist hier mit großer Vorsicht das zu vermittelnde Bild zu betrachten. Anhand des Beispiels des Präsidenten Ronald Reagan (Präsident der USA zw. 1981 und 1989) lässt sich dieses mögliche Täuschen durch „Politainment“ visualisieren: „[als sich] Ronald Reagan vor den versammelten TV-Kameras auf der Schulbank eines Klassenzimmers mit Lehrern und Schülern ins Gespräch vertiefte und vor den Augen des Publikums leidenschaftliches Interesse am Bildungswesen zeigte, während seine Regierung gerade den Bildungsetat gekürzt hatte.„

So können durch nonverbale Verbildlichungen ambivalente Informationen mitsichtragen und nur ein Schein des eigentlichen Inhaltes sein um eventuell unangenehme Themen oder Informationen zu beschwichtigen, verschleiern oder gar ganz zu vertuschen. Prof. Dr. Thomas Meyer (TU Dortmund) spricht hier von einer „Inszenierungsoberfläche“ in der „symbolischen Scheinpolitik [mit einer] mediengerechte Theatralisierung“. Jedoch ist nonverbale Kommunikation auch ein unumgängliches Werkzeug des alltäglichen zwischenmenschlichen Austausches und kaum ausschaltbar. Es entspricht dem Sender und Empfänger Modell in welchem wir bewusst oder unbewusst Informationen senden und auch empfangen.

Ob nun Brandts Kniefall ein beabsichtigter oder wie er dementierte ein emotionales Überkommen seiner Gefühle war, werden wir nie mit Gewissheit bestätigen können. Jedoch ist dieser symbolische Akt ein Grundstein der emotionalen Darstellung Willy Brandts als Politiker gewesen und sendet bis heute noch Emotionen durch diese fotografierte nonverbale Geste!

Dem gleichgestellt sind die Posen von Sportlerinnen und Sportlern beim Sieg oder auch bei einer Niederlage. Es sind stets Projektionen von nonverbalen Inhalten die durch das Sender-Empfänger Modell übertragen werden sollen. Die gesprochene Kommunikation lässt sich somit durch visualisierte Bilder wie Kraft, Protz oder auch Trauer verstärken. Es kann eine weitere Kommunikation, neben der gesprochenen Kommunikation, welche sich die Hilfe der Körpersprache bedient. Ein Zwischenspiel der verbalen und nonverbalen Kommunikation entsteht nicht nur als bestärkendes Hilfsmittel von zuvor Gesagtem oder Getanem, sondern auch als Hilfsmittel der emotional gewollten Übermittlung des Geschriebenem anhand von Emojis und weiteren Bildern.

Somit gehört die nonverbale Kommunikation zum festen und wichtigen Bestandteil des zwischenmenschlichen Handelns und unterstützt somit das Übermitteln von bewussten und unbewussten Inhalten der Kommunikation.

Verfasst von Sebastian H. Ott

Themenvorschläge für Folge-Wikis / Ausblicke / Ideen

Die Frage nach nonverbaler Kommunikation in verschiedenen Bereichen könnte mit den nachstehenden Fragen noch weiter vertieft und analysiert werde:

  • Inwiefern sind jedoch politische Gesten und Gesten von Politikern ineinander verschränkt oder kann man diese stets getrennt voneinander Bertachten? Sind nonverbale Darstellungen von Politikerinnen und Politikern ikonografisch und stellen sie eine Überhöhung der Person und ihrer Glaubwürdigkeit dar?
  • Eine weiter wichtige Frage, die sich aus der Forschung von Jessica Tracy und David Matsumoto stellt, ist die Frage wieso grade sehende SportlerInnen aus „stark individualistischen Kulturen“ nicht ein einheitliches Verhalten mit dem der anderen zeigen. Ebenso könnte man im Ausblick auch die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen SportlerInnen untersuchen. Inwieweit unterscheiden sich hierbei die Gesten und die nonverbale Kommunikation zum Publikum.
  • Welche Entwicklung hinsichtlich digitaler Kommunikation werden Körpergesten durchlaufen und wird es deutliche Veränderungen in deren intuitiven Einsatz geben? Werden sich Kommunikationsstrategien durch neuartige Plattformen digitaler Kommunikation entwickeln?

Verfasst von Laura Wehr, Sebastian Ott, Saara Gh.-Hovizavi

Literaturverzeichnis

Argyle, Michael (2013): Körpersprache Kommunikation. Nonverbaler Ausdruck und soziale Interaktion. 1. Aufl. s.l.: Junfermann. Online verfügbar unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1605000.

Alkemeyer, Thomas: Zeitschrift für Semiotik, Band 19- Heft 4 (1997), Stauffenberg: Verlag Tübingen, 1997.

Aronson, Elliot/ Wilson, Timothy/ Akert, Robin: Sozialpsyschologie, Hallbergmoos: Pearson, 2014

Behrens, Alexander (2010): „Durfte Brandt knien?“. Der Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische Vertrag; eine Dokumentation der Meinungen. Bonn: Dietz.

Flaig, Egon (2004): Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom. 2. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Historische Semantik, 1).

Frey, Siegfried (1999): Die Macht des Bildes. Der Einfluss der nonverbalen Kommunikation auf Kultur und Politik. 1. Aufl. Bern, Seattle: H. Huber.

Gofman, Erving: Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1986.

Laux, Lothar; Schütz, Astrid (1996): „Wir, die wir gut sind“. Die Selbstdarstellung von Politikern zwischen Glorifizierung und Glaubwürdigkeit. Orig.-Ausg. München: Dt. Taschenbuch-Verl. (Dtv, 4683).

Maurer, Marcus (2016): Nonverbale politische Kommunikation. Wiesbaden: Springer VS (Lehrbuch).

Meyer, Thomas (2006): Populismus und Medien. In: Frank Decker (Hg.): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches korrektiv? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Nerdinger, Friedemann W.; Blickle, Gerhard; Schaper, Niclas (2014): Arbeits- und Organisationspsychologie. 3. Aufl. 2014. Berlin: Springer.

Siller, Peter (Hg.) (2000): Politik als Inszenierung. Zur Ästhetik des Politischen im Medienzeitalter. Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg; Kongress „Politik als Inszenierung - Darstellung und Wahrnehmung des Politischen in einer veränderten Gesellschaft“. Baden-Baden: Nomos Verl.-Ges.

Schlenzig Button, Nina: Das Fenster zum Geist. In: Zeit Online: Wissen. 2010.

Schonherr, Beatrix: Syntax – Prosodie – nonverbale Kommunikation. Empirische Untersuchungen zur Interaktion sprachlicher und paarsprachlicher Ausdrucksmittel im Gespräch. In: Henne, Helmut; Sitta, Horst; Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.): Germanistische Linguistik, Band 182. Tübingen: Niemeyer, 1997.

Sentürk, Jan: Schulterblick und Stöckelschuh- Wie Haltung, Gestik und Mimik über unseren Erfolg entscheiden, Wiesbaden: Springer Verlag, 2012.

Shannon, Claude; Weaver, Warren: The mathematical theory of communication. Illinois: University of Illinois Press, 1949.

Storch, Maja/ Tschechen, Wolfgang: Embodied Communication. Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf. Bern: Verlag Hans Huber, 2014.

Abbildungsverzeichnis


Abbildung 1: Whats-App: Gruppenchat-Auszug, 10.08.2019.
Abbildung 2: Handstand. Zgung, 13.08.2019 Instagram
Abbildung 3: Handstand. Zgung, 13.08.2019 Instagram
Abbildung 4: Alberto Cortador, 2017, Foto: Trek Segafredo, http://www.thebikecomesfirst.com/alberto-contador-says-farewell-with-win-on-the-angliru/ (zuletzt aufgerufen 20.07.19)
Abbildung 5: Christiano Ronaldo, 2017, Foto: Gerard Julien/ AFP/ Getty Images https://www.eurosport.de/fussball/serie-a/2018-2019/cristiano-ronaldo-unglaubliche-werte-so-fit-ist-der-superstar_sto6861342/story.shtml
Abbildung 6: Behrens, Alexander (2010): „Durfte Brandt knien?“. Der Kniefall in Warschau und der deutsch-polnische Vertrag; eine Dokumentation der Meinungen. Bonn: Dietz. (Sowie: Willy Brandts Kniefall. 7.12.1970. Warschau/ Polen. AP-Archiv)



Onlineverzeichnis
https://www.instagram.com/zgung/ (letzter Abruf: 13.08.2019)
https://www.pnas.org/content/105/33/11655 (zuletzt aufgerufen am 15.01.19)
http://www.thebikecomesfirst.com/alberto-contador-says-farewell-with-win-on-the-angliru/ (zuletzt aufgerufen 20.07.19)

biomechanik/projekte/ws2018/wp1802.1566484503.txt.gz · Zuletzt geändert: 28.11.2022 00:40 (Externe Bearbeitung)


Warning: Undefined variable $orig_id in /is/htdocs/wp1019470_OPI92FFHXV/www/wikiLehre/lib/plugins/openas/action.php on line 232