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ATSB2002 Fehlstellung

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Veranstaltung Aktuelle Themen der Sportbiomechanik
Autor(en) Hage C., Tröller J.
Bearbeitungsdauer 30 Minuten
Status Fertig
Zuletzt geändert am 02.08.2020

Einleitung

Wiki Einführung

Die Bezeichnung einer Fehlstellung oder Fehlhaltung ist im allgemeinen Sprachgebrauch bekannt. So spricht man zum Beispiel im mechanischen Sinne von einer Fehlstellung, etwa wenn die „Spur“ eines Autos verstellt ist. Im Bereich des Körpers wird mit Fehlhaltung eher die Haltung eines Sportlers korrigiert oder einer beobachteten Person. Im Bereich der medizinischen, sportlichen und biomechanischen Sichtweise hingegen wird die Definition und Assoziation dieses Begriffs undeutlich.

Das Thema dieses Wikis befasst sich genau mit der Fehlstellung und der Assoziation in den genannten Bereichen. Zu Beginn wird die Definition der Fehlstellung erörtert und beispielhaft erklärt. Ein Bezug auf die biomechanischen Definitionen wird anhand der Achsen am menschlichen Körper dargestellt.

Es zeigt aber auch eine Unterscheidung zwischen der Fehlstellung und der Fehlhaltung, welche näher erläutert werden soll, um die klare Begriffsnutzung und -definition zuzuordnen.

Zur Veranschaulichung nehmen wir die Wirbelsäule als ein Beispiel spezifischer Fehlstellungen am menschlichen Körper. Da die Auswirkungen an der Wirbelsäule ein deutliches Bild des Einflusses auf andere Bereiche am Körper liefert. Diese werden anhand der Auswirkungen einmal aufgezeigt und erklärt.

Dies soll zu den Behandlungsmöglichkeiten übergehen, um die Fehlstellung an der Wirbelsäule zu beheben und gleichzeitig die Auswirkungen zu minimieren oder zu verhindern.

Abschließend soll eine Zusammenfassung in Form eines Fazits Ausblick auf zukünftige Bereiche geben, in denen sich die Begrifflichkeit der Fehlstellung zum Einen besser ermitteln lässt, gleichzeitig aber auch die Zusammenhänge an biomechanischen Prozessen besser nachvollziehen lässt.

Was ist eine Fehlstellung?

Eine genaue Definition ab wann eine Deformität oder eine Abweichung von der physiologischen Norm als Fehlstellung gilt gibt es aktuell nicht. Grund hierfür ist, dass genaue Normwerte für Gelenkachsen nicht allgemein definiert sind. Wenn von beispielsweise X-Beinen gesprochen wird, liegt hierfür selten ein überschrittener Gelenkwinkeln zu Grunde. Es wird vielmehr das Gesamtbild betrachtet und mit empirischen Studien verglichen. Deshalb ist es medizinisch nicht ganz einfach den Begriff der Fehlstellung klar zu definieren. Im medizinischen Alltag spricht man jedoch häufig von einer Fehlstellung, wenn eine Abweichung von der anatomischen bzw. physiologischen Gliedmaßen- bzw. Gelenkachse vorliegt.

Diese Definition wirf natürlich die Frage auf, was eine physiologische Gliedmaßen- oder Gelenkachse überhaupt ist. Auch diese Frage lässt sich nicht einheitlich beantworten, da physiologische Achsen je nach Lokation anders definiert und benannt werden. Ein Beispiel für die unteren Extremitäten findet sich beispielsweise in der Dissertation von Mario Morgenstern.

Hier werden die Achsen der unteren Extremitäten dargestellt. Man unterscheidet hier zwischen anatomischer Achse und mechanischer Achse.

Die anatomischen Achsen sind die Achsen welche im Längsschnitt durch den Knochen laufen. Die mechanischen Achsen hingegen liegen auf dem Kraftübertragungsweg. Somit ergibt sich beispielsweise im Femur (Oberschenkelknochen) eine Differenz zwischen anatomischer und mechanischer Achse. Während die anatomische Achse leicht versetzt verläuft, liegt die mechanische Achse im Normalfall vollständig vertikal, sodass sie quasi als Verlängerung der mechanischen/anatomischen Tibiaachse verstanden werden kann. Im Bereich der Tibia (Schienenbein) liegen anatomische und mechanische Achse übrigens übereinander, da der Kraftübertragungsweg exakt durch den Längsschnitt des Knochen verläuft. Beim Femur jedoch liegt der Punkt der Kraftübertragung im proximalen Bereich etwas weiter medial, da hier der Femurkopf (caput femoris) mit der Gelenkpfanne (Acetabulum) des Beckenknochens (Os coxae) das Hüftgelenk bildet. Da die Kraft hier auf die obere Partie des Körpers weitergegeben wird, ergibt sich hieraus die Differenz zwischen mechanischer und anatomischer Achse. (Brunswig, 2019, S. 15)

Die Verbindung der mechanischen Achsen von Tibia und Femur nennt man Mikulicz-Linie.

(vgl. Morgenstern, 2011, S.7)

Im Folgenden sieht man zudem eine Abweichung von der physiologischen Norm. Man erkennt hier, dass der Schnittpunkt der mechanischen Achsen der unteren Extremitäten mit der Tibiaplateaulinie außerhalb des Kniegelenks liegt, und mechanische und anatomische Achse der Tibia nicht aufeinander liegen. Hieraus können dann Bewegungseinschränkungen oder medizinische Probleme (bspw. Arthrose im Kniegelenk) entstehen, welche ein Indiz dafür sind hier einzugreifen. Im Volksmund redet man in dem oben beschriebenen Fall von X-Beinen.

Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist im Übrigen nicht ab wann man eine Abweichung als Fehlstellung klassifiziert, sondern ab wann sie medizinisch relevant wird. Hierfür haben wir unter anderem mit Herrn Prof. Dr. Wild (Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie im Klinikum Darmstadt) gesprochen.

Gründe für einen Eingriff können beispielsweise sein:

  • Schmerzen
  • Bewegungseinschränkung
  • Drohende medizinische Spätfolgen (Bspw. Arthrose)
    • Wie im gif (X-Beine) zu sehen: Knick-Senk-Fuß: Einknicken nach Innen → Fehlbelastung im Knie und Hüfte → übermäßige Abnutzung der Gelenke → Arthrose Gefahr

Während man die ersten beiden Indizien einfach testen kann, ist das Abschätzen auf Spätfolgen oft ein empirisches Vorgehen. Mit Laufbandanalysen, MRT-Untersuchungen oder Pedographien (Belastungsanalyse im Fuß) kann die Gelenkstellung zwar genau erfasst werden, jedoch fehlt aufgrund individueller anatomischer Strukturen ein allgemein gültiger Normwert, den man auf alle Personen anwenden kann. Aus diesem Grund werden hier häufig statistische Modelle genutzt, um aufgrund von Erfahrungswerten eine fundierte Diagnose stellen zu können.

Fehlstellung vs. Fehlhaltung

Man unterscheidet zudem auch zwischen Fehlstellung und Fehlhaltung. Eine allgemein gültige Definition ist auch hier schwierig zu finden, da die beiden Begriffe im Alltag häufig Synonym verwendet werden.

Eine Abgrenzung wird häufig so getroffen:

Eine (nicht fixierte) Fehlhaltung beschreibt einen funktionellen umkehrbaren Zustand, während eine (fixierte) Fehlstellung einen fixierten unumkehrbaren Zustand beschreibt.

Von einer Fehlstellung wird also gesprochen, wenn der Körper nicht in der Lage ist, den Zustand selbstständig auszugleichen. Ein Beispiel hier wäre in Bezug auf die unteren Extremitäten der Hallux Valgus, da hier eine knöcherne Abweichung vorliegt, die nicht durch eigene Anstrengung umgekehrt werden kann. Von einem Hallux Valgus spricht man, wenn der Fußinnenradwinkel (Winkel zwischen Grundphalanx und Os metatarsale) mehr als 20° beträgt. (Wallek, 2019, S. 9)

Im folgenden Bild (Bild 1) sehen wir links einen Hallux Valgus mit einem Fußinnenradwinkel von 27° (HVW) und im selben Bild rechts daneben den Fuß nach operativer Korrektur. Im rechten Bild (Bild 2) sehen wir zudem einen beidseitigen Hallux Valgus.

Bild 1: Bild 2:

© S.F. Baumbach, H. Polzer, Sektion Fuß- und Sprunggelenkchirurgie, Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Klinikum der Universität München

Von einer Fehlhaltung wird zudem gesprochen, wenn der Körper noch in der Lage ist diese aus eigener Kraft aktiv auszugleichen. Ein Beispiel hierfür wäre der kindliche Knick-Senk-Fuß, da diese Fehlhaltung meistens muskulär bedingt ist. Somit könnte man den Zustand aus eigener Kraft umkehren. (AWMF, 2017, S. 3f)

Im Alltag ist es jedoch häufig so, dass sich bei muskulären Dysbalancen später auch Sehnen- und Bandapparat anpassen. Wenn sich hier dann nach und nach weitere Strukturen als Reaktion auch den Zustand verändern, kann sich aus einer nicht fixierten Fehlstellung (oder Fehlhaltung) später auch eine fixierte Fehlstellung entwickeln.

Interessant ist auch, dass in der AWMF-Leitlinie des kindlichen Knick-Senk-Fußes von einer Fehlstellung gesprochen wird, obwohl diese im Normalfall muskulär bedingt und somit aktiv umkehrbar ist. Das zeigt noch einmal die häufige synonyme Verwendung von Fehlstellung und Fehlhaltung im medizinischen Alltag.

Wirbelsäule

Die Wirbelsäule des Menschen besteht insgesamt aus 24 Wirbeln. Sie ist dabei in 7 Hals-, 12 Brust- und 5 Lendenwirbel unterteilt. Dabei ist die Aufteilung der Wirbel in C1 bis C7 für die Halswirbelsäule, T1 bis T12 für die Brustwirbelsäule und L1 bis L5 für den Lendenwirbelsäule. Die Größe der einzelnen Wirbel wird dabei vom Halswirbel bis zum Lendenwirbel immer größer. Zwischen den einzelnen Wirbeln befinden sich sogenannte Zwischenwirbelscheiben - diese werden auch Bandscheibe genannt. Die Form der Wirbelsäule ist gekrümmt und teilt sich in die Bereiche Lordorse, die im Halswirbel und Lendenwirbel sind, sowie die Kyphose im Brustwirbelbereich (Schmitt, Niederer, Cronin, Muser, & Walz, 2014, S. 92).

Die Entwicklung der Wirbelsäule beginnt in der embryonalen und fetalen Entwicklung (Niethard, Pfeil, 2005, S. 324). Dabei wird sie in vier Stadien der Entwicklung untergliedert: Primitivleiste, Mesenchymphase, Knorpelphase und Knochenphase. Die Primitivleiste beginnt ab dem 15. Tag, die Mesenchymphase ab Tag 20 die Knorpelphase ab dem 40. Tag und die Knochenphase ab dem 60. Tag. Nach Niethard und Pfeil (2005, S. 324) entstehen die meisten Fehlbildungen während der Mesenchymphase.

Die Funktion der Wirbelsäule ist dem Körper größtmögliche Stabilität und Mobilität zu gewähren. Dabei ist die Lendenwirbelsäule im Alltag enormen Belastungen ausgesetzt (Niethard und Pfeil, 2005, S. 325).

Skoliose

Um spezifische Fehlstellungen klar zu erläutern, wird hier die Skoliose als Beispiel in ihrer Definition, den Auswirkungen und den Therapiemöglichkeiten anschaulich beschrieben.

Die Definition zur Skoliose ist nach Niethard und Pfeil (2003, S. 324) eine Wachstumsdeformation der Wirbelsäule mit fixierter Seitausbiegung sowie einer Torsion der Wirbel und eine Rotation des Achsenorgans. Die Definition von Skoliose nach Heike (2019, S. 186) ist eine dauerhafte, fixierte, seitliche Verbiegung und Torsion der Wirbelsäule. Dabei existieren nach der Ätiologie 12 verschiedene Klassifikationen von Skoliose. Die am häufigsten vorkommende Art der Skoliose ist dabei die Idiopathische - hier sind nach Niethard und Pfeil (2003, S. 324) 85% diesen Ursprungs.

Die idopathischen Skoliosen werden dabei in drei Altersphasen eingeteilt. Nach Niethard und Pfeil (2003, S. 345) gibt es infantile Skoliosen, juvenile Skoliosen und adoleszente Skoliosen.

Infantile Skoliosen sind bis 4 Jahren zu diagnostizieren und betreffen eher Säuglinge bis Kleinkinder. Juvenile Skoliosen sind bis 10 Jahren eingegrenzt. Dabei besteht nach Trobisch, Suess & Schwab (2010, S. 877) in der juvenilen Phase ein gleichmäßiges Längenwachstum statt einem Schubwachstum. Die letzte Phase ist die adoleszente Skoliose - diese ist von 10 bis 18 Jahren, welche das Ende des Wachstums mit einschließt (Niethard & Pfeil, 2003, S. 345).

In der Phase der Juvenilen Skoliose im geringen Ausmaß geht man davon aus, dass mit einer Behandlung durch eine entsprechende Krankengymnastik inklusive Korsettbehandlung die Fehlstellung durch das Wachstum des Kindes noch ausgeglichen werden kann.

Bei einem höheren Skoliosegrad oder nach Abschluss des Wachstums, was mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs beendet ist, besteht hier keine Möglichkeit dieser Art von Behandlung und es wird auf die Maßnahme eines operativen Eingriffs zurückgegriffen.

Diese Ausführung ist von Bedeutung, da sie die Besonderheit der biomechanischen Systeme des menschlichen Körper zeigt. Dabei besteht im Wachstumsalter eine körpereigene Anpassungs- und Korrekturfähigeit. Diese ist je nach Belastungen und Anforderung des Muskel-Skelett-Systems mit hoher Effektivität verbunden. Insbesondere während des Wachstumsalters richtet sich der Knochen nach der Hauptbelastungsachse und der Schwerkraft aus. Im Erwachsenenalter wiederum ist dieser ausgerichtet und hat sich bereits angepasst. Dadurch ist ein Ausrichten nur noch minimal möglich und es sind nur noch „Masse“ Umbauten der Muskulatur und der Knochen möglich.

In der Pathogenese ist die Skoliose eine Wachstumsdeformation. Dies bedeutet, dass in Phasen des Wirbelsäulenwachstums, besonders in der Pubertät, eine starke Progression besteht (Niethard & Pfeil, 2003, S. 346). Die Entstehung als solche kommt durch das Fehlwachstum einzelner oder mehrerer Wirbel. Die Wirbelkörper wachsen hierbei in der Konkavität langsamer als in der Konvexität. Durch dieses Fehlwachstum kommt es somit zur Verdrehung und Lordosierung des Achsenorgans (Niethard & Pfeil, 2003, S. 346).

Auswirkung der Skoliose

Die Skoliose hat nicht nur auf die Wirbelsäule sondern auch auf den Rest des Körpers schwerwiegende Auswirkungen. Besonders im Bereich des Rumpfes entstehen durch die starke Deformation der Wirbelsäule zudem Einschränkungen in der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit also das Herz-Lungen-System sowie eine Minderung der Nieren- und Magen-Darmfunktion (Niethard & Pfeil, 2005, S. 347). Die häufigste Diagnose einer Skoliose wird bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 12 Jahren festgestellt. Dabei gilt festzuhalten, dass der Verlauf bei dieser Gruppe von Betroffenen der Skoliose oft schmerzlos verläuft. Die Skoliose-Erkrankung wird oft beim Sportunterricht, Schwimmen oder durch die Eltern selbst entdeckt (Niethard & Pfeil, 2003, S.346).

Die Folgen einer Fehlstellung durch Skoliose und die daraus resultierende Fehlbelastung besonders in dem unteren Teil des Körpers ist zu erahnen wird aber nicht genauer beschrieben. Es ist davon auszugehen, dass eine Fehlbelastung in der Hüfte, im Kniegelenk sowie im Fußgelenk stattfinden wird. Durch solch eine Fehlbelastung kann sich der Band- und Sehnenapperat des Körpers langfristig verkürzen und zudem die Gelenkbereiche übermäßig abnutzen. Hierdurch könnten beispielsweise im Kniegelenk Knorpelschäden entstehen, durch welche meistens eine medizinische Behandlung notwendig wird. Alleine durch die Veränderung des Schwerpunktes und der Verkrümmung des Rückens wird dies deutlich.

Dabei gilt aber zu beachten, dass Skoliose schon nach bestimmten Richtwerten auch in einer abgeschwächten Form existiert. Der sogenannte Cobb-Winkel ist dabei ein wichtiger Indikator für die Skoliose-Erkrankung und der späteren Therapie-Maßnahmen zu dessen Behandlung.

Behandlungsmöglichkeiten der Skoliose

In der Behandlung der Skoliose wird neben der ätiologischen Feststellung auch eine Winkelmessung durch das Cobb-Verfahren durchgeführt, dabei wird der Winkel der Krümmung am Schnittpunkt der Senkrechten zu den Deck- und Grundplatten der Neutralwirbel ermittelt (Niethard & Pfeil, 2003, S. 348).

Bevor die Behandlung der Skoliose genau festgelegt werden kann, sind verschiede Indikatoren zu beachten. Zum Einen die Ätiologie der Skoliose und ihrer Progressionstendenz, das Alter des Patienten sowie das Ausmaß der Deformation durch die Skoliose. All diese Faktoren sind wichtig, um eine genaue Behandlung einzuleiten (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349).

Mit Hilfe des zuvor beschriebenen Cobb-Verfahrens und den Patienten spezifischen Informationen, wird ein dreistufiges Behandlungskonzept nach Niethard & Pfeil (2003, S. 349) aufgeführt. Dabei wird bei einer beginnenden Skoliose, die ein Cobb Winkel bis ca. 20 Grad vorweist, Krankengymnastik als Behandlung der Skoliose empfohlen. Bei einem Winkel zwischen etwa 20 und 50 Grad empfiehlt sich eine fortführende Krankengymnastik mit zusätzlicher Anwendung eines Korsetts für den Patienten. Besteht eine Krümmung von etwa über 50 Grad nach Cobb, werden operative Maßnamen durchgeführt (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349).

Im Bereich der physiotherapeutischen Methoden zur Behandlung der Skoliose gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen: hier wird zwischen aktiv redressierenden Verfahren und mobilisierenden Techniken unterschieden. Die aktiv redressierenden Verfahren sollen die Skoliose korrigieren. So wird durch Zug, Schub, Entlastung oder eine Offensive auf Torsion/Rotation behandelt. Die mobilisierende Technik soll die Rigidität also Steifheit der Skoliose verringern (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349).

Die Behandlungen mit einem Korsett an einer Skoliose ist in vielen Fällen unvermeidlich. Wie bei der physiotherapeutischen Behandlung gibt es auch hier verschiedene Formen des Korsetts zum Tragen des Patienten. Dabei wird zwischen Aktiv- und Passiv-Korsetts unterschieden. Dabei können die Korsetts individuell anhand eines Abdrucks oder mit vorgefertigten Modultechniken angefertigt werden (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349).

Das Aktiv-Korsett oder auch „Milwaukee-Korsett“ (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349) ist das Bekannteste und besteht aus einem Beckenkorb, von dem aus ein Metallstab vorne und zwei am Rücken Richtung Kopf zu einer Mahnpelotte geführt werden. Dabei wird diese unter dem Kinn positioniert, um eine aufrechte Haltung des Patienten durch das Korsett einzunehmen (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349).

Das „Boston-Korsett“ (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349) ist das bekannteste Passiv-Korsett, welches in Modultechnik angefertigt wird. Das Becken und die lumbale Wirbelsäule werden dabei durch das sehr eng anliegende Korsett fixiert. Durch die Pelotten wird Druck auf die Wirbelsäule ausgeübt, um eine korrigierte Richtung zu erwirken (Niethard & Pfeil, 2003, S. 349).

Besteht nach Cobb eine Krümmung der Wirbelsäule über 50 Grad, so werden operative Methoden am Patienten durchgeführt. Bevor es zu einer Operation kommt, werden präoperative Maßnahmen am Patienten vorgenommen, um intraoperativ eine sichere und möglichst gute Korrigierbarkeit der Skoliose zu gewährleisten (Niethard & Pfeil, 2003, S. 350). Dabei wird auf die „Halo-Schwerkrafttraktion“ (Niethard & Pfeil, 2003, S. 352) zurückgegriffen. Hier wird ein Metallring am Kopf des Patienten mit vier Schrauben fixiert und in einem Zeitraum von drei bis vier Wochen die Wirbelsäule unter Zug gesetzt (Niethard & Pfeil, 2003, S. 352).

Ist also diese präoperative Methode vollzogen, so wird der Eingriff nun chirurgisch vorgenommen. Dabei kommt es zu einer Spondylose, was eine Versteifung von Wirbelsäulen-Segmenten beinhaltet. Es werden dorsale und ventrale Eingriffe vorgenommen, die zur Korrektur und Stabilisation der Skoliose führen (Niethard & Pfeil, 2003, S. 352).

Der Nachteil bei der Spondylose ist im Bereich der Lendenwirbelsäule, da sie die Beweglichkeit des Hüftgelenks beeinträchtigen könnte. Dies sollte bei der operativen Maßnahme berücksichtigt werden (Niethard & Pfeil, 2003, S. 352).

Resultierend aus den betrachtenden Behandlungsmöglichkeiten zeigt sich, dass eine frühe Erkennung der Skoliose wichtig ist. Die Skoliose kann bei „Jugendlichen zu psychosozialen Symptomen führen wie mangelndem Selbstbewusstsein, vermehrter Neigung zu depressiven Phasen, suizidalen Gedanken und erhöhtem Alkohol-Konsum (Trobisch, Suess & Schwab, 2010, S. 878).

Natürlich ist die Früherkennung der Skoliose auch später wichtig, da mit zunehmenden Alter und nach Ende des Wachstums des Patienten vermehrt Schmerzen auftreten können.

Rücken als Seelenspiegel

Ein wichtiger Aspekt, der hier aufgeführt werden soll, ist der Einfluss der Psyche auf den menschlichen Körper und seine Haltung. So kann auch die psychische Lage eines Menschen auf die Haltung des Körpers auswirken und eine Fehlhaltung hervorrufen. „Posture is not a constant anatomical feature of an individual. Apart from constitutional factors, posture represents a snapshot that depends not only on muscular activity but, to a very great extent, on psychological status.“ (Hefti, 2007, S. 69).

Hierbei entsteht die Frage, ob sich diese körperliche Haltung so stark auswirkt, sodass ein bleibender Schaden am Körper des Betroffenen entsteht.

Betrachtet man die Entwicklungsphasen eines Jugendlichen in der pubertären Phase zum jungen Erwachsenen, so wird erkennbar, dass in dieser Phase ein Selbstfindungsprozess mit vielen inneren Konflikten enthalten ist. „Puperty is a stage of life marked by internal conflicts associated with finding one´s own personality“ (Hefti, 2007, S. 69). Es zeigt also auf, dass die Haltung, die ein Mensch hat oder die wir täglich einnehmen, zum Einem unterschiedlich ist und zum Anderen nicht nur durch eine Fehlbelastung entstehen kann.

Zusätzlich werden auch durch Erziehung und durch Eltern Haltungen vorgegeben, die man einnehmen sollte. Etwa durch Sätze wie „setze dich gerade hin“, „mach keinen krummen Rücken“ wird schon früh eine gewisse Sensibilisierung geschaffen, wie sich eine „normale“ Haltung anfühlen soll bzw. auszusehen hat. Gleichzeitig ist aber auch die Fehlhaltung nicht nur ein Indikator einer möglichen Verletzung, die wir erfahren haben - z.B. durch einen Unfall - sondern auch ein Zeichen für mögliche Verletzungen der psychischen Gesundheit, die eine andere Art von „Trauma“ hervorrufen kann. Haltung ist schlussendlich ein täglicher Begleiter, und der Körper und die Psyche sind immer im Wandel.

Somit kann festgehalten werden, dass also eine schlechte Haltung nicht gleich einfach nur einer Fehlstellung oder einer falschen Belastung verschuldet ist.

Fazit

Abschließend zeigt sich, dass das Thema „Fehlstellung“ eine Missinterpretation der Begrifflichkeit aufzeigt. Der Begriff der Fehlstellung oder Fehlhaltung wird im sportlichen, medizinischen aber auch allgemeinen Sprachgebrauch als Synonym für eine fehlerhafte Stellung eines Körperteils benutzt. Die Wirbelsäule in anatomischer Sichtweise und die Fehlstellung anhand der Skoliose zeigt die Komplexität der Thematik dieses Wikis auf. Die Wirbelsäule und Skoliose als einzelnes Thema hätten jeweils ein Wiki ausfüllen können. Aus diesem Grund haben wir uns auf die Idopatische Skoliose beschränkt damit hiermit beispielhaft Fehlstellung mit Hilfe der Wirbelsäule erläutert werden kann.

Es ist dabei erstaunlich, wie viele Behandlungsmöglichkeiten für Skoliose existieren und wie weit die Medizin noch weiter voranschreitet wird die Zukunft zeigen. Deutlich aber wird hieraus, dass die Fehlstellung heutzutage so behandelt werden kann, dass bei den Patienten wieder eine hohe Lebensqualität zurückerlangt werden kann und diese ihren Alltag ohne Schmerzen oder Einschränkungen bestreiten können. Die Wichtigkeit der Psyche und die damit verbunden Einflüssen auf den Körper wurden durch die intensive Arbeit an diesem Thema immer klarer.

Der Bezug zur Biomechanik wirkt vielleicht in diesen Wiki undeutlich. Dabei ist die Biomechanik ein Teil der Medizin und geht in ihrem Arbeitsbereich der orthopädischen Biomechanik eine enge Kooperation mit der Medizin ein. Und speziell in den Behandlungsmöglichkeiten zur Skoliose ist die Biomechanik deutlich vertreten, da eins der Aufgabengebiete der Biomechanik die Gestaltung von Heilungshilfen und Operationstechniken beinhaltet. Dabei ist die enge Zusammenarbeit der Biomechanik und der Medizin von Bedeutung, da es die medizinischen Erkenntnisse über den menschlichen Körper benötigt und die mechanischen Möglichkeiten und Anwendungen auf den Bewegungsapparat.

„Die Biomechanik ist die Anwendung mechanischer Prinzipien auf biologische Systeme, biologisches Gewebe und medizinische Probleme.“ (Richard & Kullmer, 2013, S. 1)

Das Ziel dieses Wikis ist es, mit dem Thema Fehlstellung eine Sensibilisierung der Begrifflichkeit zu schaffen, gleichzeitig aber auch für zukünftige Wiki Beiträge als Leitfaden oder Unterstützung zu dienen.

Unser besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Michael Wild, der uns innerhalb dieses Wikis und der Thematik immer mit seinem Expertenwissen aber auch seinem Einsatz und Unterstützung bis zum Ende begleitet hat. Wir konnten dabei in enger Zusammenarbeit mit Herrn Wild dieses Wiki erstellen. Herr Prof. Dr. Michael Wild ist Direktor der chirurgischen Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie am Klinikum in Darmstadt.

Literatur

  • Brunswig, B. (2019). Analyse von Mikrofrakturen in der Substantia compacta des proximalen Femurs nach Langzeit-Bisphosphonattherapie (Dissertation, Medizin). Universität Hamburg, Hamburg.
  • Morgenstern, M. (2011). Hohe tibiale Umstellungsosteotomie in open wedge-Technik: Radiologische Beurteilung der Beinachse, des tibialen slopes und frühe klinische Ergebnisse (Dissertation, Medizin). TU München, München.
  • Niethard, F. & Pfeil, J. (2003). Orthopädie. Stuttgart. Georg Thieme Verlag.
  • Wallek, H. (2019). Pedobarographische Analyse operativ behandelter Patienten mit Hallux valgus (Dissertation, Medizin). Universität Tübingen, Tübingen.
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