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WP1501 Gehen im Frühkindalter

WP1501 Gehen im Frühkindalter
Veranstaltung PS Biomechanik
Autor Malin Witzke, Sandra Przybilla, Jan Hertrich
Bearbeitungsdauer ca. 40 min
Vsl. Fertigstellung 17.06.2015
Seite in Bearbeitung

Einführung

Laufen lernen ist eine der größten Errungenschaften der menschlichen Entwicklung. Ohne dessen, dass wir uns darüber bewusst sind, wird es uns in die Wiege gelegt. Außerdem gehört das Laufen biomechanisch gesehen zu einem der komplexesten Bewegungsabläufe des Körpers. Der komplexe Lauflernprozess beginnt schon vor der Geburt und endet in der Pubertät (und nimmt mit dem Alter wieder ab). Das Laufen beziehungsweise die Gangart ist ein individuelles Merkmal jedes einzelnen Menschen. Sie ist wie ein Fingerabdruck und dadurch macht sie uns einzigartig.

Sehr empfehlenswert hierzu ist auch das folgende Wiki, welches sich mit den Gangarten an sich beschäftigt (siehe WP1309)

Entwicklung des Laufen lernens

Um den Prozess zu vereinfachen, haben wir die Entwicklung in vier Phasen unterteilt:

  • Phase 0: Vor der Geburt
  • Phase 1: 0-3 Monate
  • Phase 2: 4-9 Monate
  • Phase 3: ab 10 Monaten

Phase 0 ("vorgeburtliche Phase")

Der vorgeburtliche Prozess der Laufentwicklung beginnt vier bis acht Wochen nach der Empfängnis. Mit Hilfe des Ultraschalls kann man spontane Beinbewegungen im Bauch nachweisen. Zunächst beginnt der Fötus synchrone Beinbewegungen auszuführen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung des Fötus sind ausschlaggebende Veränderungen im Zentralen Nervensystem (ZNS) zu beobachten, welche dazu führen, dass abwechselnde Beinbewegungen durchgeführt werden. (vgl. Adolph & Robinson 2011)

Phase 1 ("nachgeburtliche Phase")

Wird ein Neugeborenes senkrecht, leicht nach vorne geneigt über eine Fläche gehalten, so beginnt es Schreitbewegungen auszuführen. Durch die Konfrontation mit der Schwerkraft nach der Entbindung und der schnellen Gewichtszunahme in den ersten Monaten, fehlt es dem Neugeborenen an Kraft die Bewegung selbst auszuführen. Dieser Schreitreflex verliert sich zum Ende dieser Phase, um mit etwa 10 Monaten wieder zurückzukehren (vgl. Schott N., Munzert J.: Motorische Entwicklung. Göttingen: Hogrefe 2010). In den ersten Monaten ist der Kopf im Verhältnis zum Körper sehr groß (er macht ein Drittel der gesamten Körpergröße aus). Das Hauptaugenmerk in dieser Phase bezieht sich auf die Ausprägung der Nackenmuskulatur, da diese notwendig ist, um den Kopf zu bewegen und stabil zu halten. (Beobachtung Nackenmuskulatur Aufstützen) Synchron dazu entwickelt und verstärkt sich der Rest der Muskulatur (vgl. http://www.knetfeder.de/kkp/motorik.html Absatz 0-3 Monate, Kopfkontrolle; Adolph, Karen E., Scott R. Robinson: The road to walking: What learning to walk tells us about development, in: Zelazo, Philip (Hrsg.): The Oxford handbook of development psychology 1. New York 2011, S. 403-443).

Phase 2 ("Mobilitätsphase")

Während die Phase 1 durch eine Gewichtszunahme sowie durch die Stärkung und Kräftigung der Muskeln charakterisiert ist, dominiert in Phase 2 der Drang der Fortbewegung (vgl. Schott N., Munzert J. 2010). Motorische Entwicklung). Ab dem vierten Monat beginnt der Säugling sich zu Drehen und Rollbewegungen auszuführen. Der Wechsel von der Bauch- in die Rückenlage wird meist zuerst beherrscht. Gefolgt von dem Wechsel aus der Rückenlage in die Bauchlage. Diese Bewegungen führen zur Reifung des Gleichgewichtssinns und zur weiteren Stärkung der Muskulatur, besonders der kompletten Rumpfmuskulatur. Dies hat zur Folge, dass der Säugling die Kraft aufbringen kann sich über die Seite selbständig aufzusetzen (ca. 7.-8. Monat) (vgl. http://www.knetfeder.de/kkp/motorik.html Absatz 4-9 Monate, Sitzen). Aus der Bauchausgangslage liegt es nahe, dass das Kind seine Arme für die Fortbewegung einsetzt, indem es robbt. Zur Unterstützung der Robbbewegung werden zusätzlich die Beine benutzt. Der entscheidende Schritt gegen die Schwerkraft ist das Aufrichten in den Vierfüßlerstand. In dieser Ausgangslage wird wieder das Gleichgewicht und die Muskulatur gestärkt, zum Beispiel durch Wippbewegungen. Bei diesen Bewegungen erlangt der Säugling Sicherheit und Stabilität und ein besseres Körpergefühl für das darauffolgende Krabbeln.

Krabbelarten

Entgegen der Vermutung Krabbeln sei nur eine Etappe in der Fortbewegung des Säuglings bzw. Kleinkindes auf dem Weg zum Laufenlernen steht dieses Zitat, welches sehr explizit verdeutlich, dass Krabbeln viel mehr ist, als nur eine Fortwegungsetappe.

,,Das Krabbeln ist eines der wichtigsten Bewegungsmuster in dem langen Prozess, in welchem die Augen lernen, die Körpermittellinie zu kreuzen. Die Babys schauen nicht nur nach vorn, sondern üben durch Bewegungen ihrer Hände auch die Auge-Hand-Koordination. So fokussieren die Augen immer mal wieder von einer Hand zur anderen, wobei die Hände als sich bewegende Stimuli agieren. (…) Durch das Krabbeln werden das vestibuläre, das propriozeptivé und das visuelle System miteinander verbunden und zum ersten Mal zur Zusammenarbeit gebracht. Ohne diese Integration können sich Gleichgewichtssinn sowie Raum- und Tiefenwahrnehmung nicht optimal entwickeln.“ (Blythe: Greifen und BeGreifen 2004, Seite 53)

Es gibt verschiedene Formen des Krabbelns. Das Krabbeln hängt von sozial-kulturellen Faktoren ab. Während in unseren Breitengraden die Säuglinge zwischen 6-8 Monaten anfangen zu krabbeln, lernen die Säuglinge in anderen Teilen dieser Erde erst relativ spät das Krabbeln oder sie überspringen diese Phase komplett. Dies kann unter anderem damit zusammen hängen, dass zum Beispiel ein europäisches Kind mehr Möglichkeiten hat auf einem häuslichen Boden das Krabbeln zu lernen, als ein Kind im Urwald. Im Urwald weist der Waldboden viele Gefahren auf und deshalb überspringen die Kinder die Phase des Krabbelns dort oft. (vgl. Adolph & Robinson, 2011)

  • „Robben“: Wird auch als Krabbelart gesehen. Der Säugling liegt auf dem Bauch und schiebt sich mit Händen und Füßen nach vorne.
  • Standard: Das Krabbeln auf beiden Händen und beiden Knien.
  • Bär: Das Krabbeln auf beiden Händen und auf beiden Füßen (diese Krabbelart kann man zum Beispiel bei türkischen Säuglinge sehen, dessen Eltern mit Händen und Füßen auf Palmen klettern).

Außerdem sind Kinder sehr kreativ was das Krabbeln angeht. Sie finden immer neue Möglichkeiten sich fortzubewegen, zum Beispiel das Ziehen auf dem Po.

Grundsätzlich ist das Krabbeln dadurch gekennzeichnet, dass Hände und Knie aufliegen, der Rumpf sich in der Luft befindet und die Fortbewegung gegenläufig stattfindet (vgl. http://www.knetfeder.de/kkp/motorik.html Absatz 4-9 Monate,Kriechen und Krabbeln; Adolph, Karen E., Scott R. Robinson: The road to walking: What learning to walk tells us about development, in: Zelazo, Philip (Hrsg.): The Oxford handbook of development psychology 1. New York 2011, S. 403-443).

Phase 3 ("Perfektionierungsphase")

„Die Entwicklung ausreichender Kraft in den Beinen und der Rumpfmuskulatur und die Reifung des Gleichgewichtssystems sind dann der Schlüssel für das Wiederauftreten des „Schreitreflexes“ und für das Auftreten des Gehens mit Unterstützung um den 9.-12. Lebensmonat.“ (Schott, Munzert: Motorische Entwicklung 2010, Seite 74)

Zu Beginn dieser Phase besteht die Möglichkeit das Kind in einen aufrechten Stand zu bringen. In dieser Position kann das Kind mit Hilfestellung kurzzeitig stehen. Parallel dazu beginnt das selbstständige Hochziehen in den Stand, zum Beispiel an Gegenständen. Durch die Fähigkeit sich an Gegenständen hochzuziehen und sich dadurch selbst in den aufrechten Stand zu bringen, besteht die Möglichkeit sich an Gegenständen entlangzuhangeln und sich dadurch fortzubewegen. Die durch das Entlanghangeln gewonnene Stabilität und Sicherheit befähigt das Kleinkind sich auf Grund eines Anreizes vom Gegenstand loszulösen und frei zu stehen. Wie in der vorherigen Phase steht auch hier die Fortbewegung im Vordergrund. Das Kind hat die Motivation eine translatorische Bewegung auszuüben (siehe KIN1). Nun kann das Kind einen Fuß vor den Anderen setzen ohne das Gleichgewicht zu verlieren und braucht keine Hilfestellungen mehr um sich fortzubewegen (vgl. http://www.knetfeder.de/kkp/motorik.html Absatz ab 10 Monate, Stehen und Gehen).

Die nachfolgende Gangentwicklung lässt sich nochmals in 2 Stadien unterteilen.

  • Stadium 1: Dieses Stadium beschreibt die ersten 3 bis 6 Monate nach Beginn des selbstständigen Gehens. Das Kind lernt hauptsächlich das Gleichgewicht während des Gehens zu kontrollieren. Dazu zählt auch, dass das Kleinkind zwar laufen, aber noch nicht gezielt bremsen kann. Erst mehrere Monate nach den ersten Schritten lernt das Kleinkind selbstsicher laufen und bremsen (ca. 18.-20. Monat).
  • Stadium 2 bezieht sich auf die darauf folgenden 5 bis 6 Jahre. Im zweiten Stadium fängt das Kind an, sein Gangmuster immer mehr zu verfeinern (da das 2. Stadium den Rahmen dieses Wiki leider sprengen würde, kürzen wir diese stark ab)!

Um einen Einblick in den Ausblick geben zu können, haben wir vier kleine Videos vorbereitet.

gangbild_erwachsener_frontal_.mov gangbild_erwachsener_seitlich_.mov gangbild_kleinkind_frontal_.mov gangbild_klinkind_seitlich_.mov

Fragen

<spoiler| 1. Nennen Sie die vier Phasenabschnitte des Laufen lernens?> 0.Phase: Vorgeburtliche Phase; 1.Phase: 0-3 Monate; 2.Phase: 4-9 Monate; 3.Phase: ab 10 Monate</spoiler>

<spoiler| 2. Was ist der Schreitreflex?> Der Schreitreflex ist ein nachgeburtlicher Reflex der auftritt, wenn man ein Säugling über eine planare Oberfläsche hält und seine Beine leichtem Druck den Boden berühren. </spoiler>

<spoiler| 3. Was sind die körperlichen Vorraussetzungen für das Laufen lernen?> Stärkung der Nacken-, Rumpf-, und Beinmuskulatur; Ausprägung des Gleichgewichtssinnes; Koordinierung der Gliedmaßen</spoiler>

Ausblick

Phase 3 dieses Wikis wurde von unserer Seite aus gekürzt, da der Inhalt den Rahmen dieses Wikis sprengen würde. Bei dem Prozess des Laufen lernen spielen nicht nur die körperlichen Faktoren eine Rolle, sondern auch die neuronale Entwicklung. Um den Vorgang des Laufens überhaupt erst zu ermöglichen, finden viele Veränderungen im ZNS statt. Diese Veränderungen sind stark mit der Biomechanik verknüpft. Es besteht der Ausblick eines weiteres Wikis zu diesem weiterführendem Thema.

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Literatur/Quellen

Adolph, Karen E., Scott R. Robinson: The road to walking: What learning to walk tells us about development, in: Zelazo, Philip (Hrsg.): The Oxford handbook of development psychology 1. New York 2011, S. 403-443.

Blythe, Sally G.: Greifen und BeGreifen. Kirchzarten bei Freiburg: VAK Verlag 2004.

Schott N., Munzert J.: Motorische Entwicklung. Göttingen: Hogrefe 2010.

Motorische Entwicklung. Die Bewegungsentwicklung vom Neugeborenen zum Kleinkind. http://www.knetfeder.de/kkp/motorik.html. (25.06.2015).

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