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Ausholbewegung der Arme


Projektthema Ausholbewegung der Arme beim Counter Movement Jump
Veranstaltung Seminar Messwertaufnahme
Leitung Prof. Dr. phil. Andre Seyfarth
Betreuung Martin Grimmer
Autoren Dario Scheuch, Alexander Schwarck, Kentaro Woldering

Einleitung

Die Sprungkraft stellt in vielen Sportarten einen wichtigen Leistungsfaktor dar, weshalb in den verschiedenen Ballsportarten, der Leichtathletik, im Skisprung usw. Sprungtests zu diagnostischen Zwecken genutzt werden. Einfache Sprünge, wie Vertikalsprünge mit Auftakt (Counter Movement Jump) und solche ohne (Squat Jump – SJ) sowie Reaktivsprünge (Drop Jump - DJ) dienen als Tests zur sportartspezifischen Leistungsdiagnostik (vgl. Wank & Heger 2009). In dieser Arbeit wird speziell auf den Counter Movement Jump (CMJ) und den Einfluss der Arme bei seiner Durchführung eingegangen. Der Hock-Streck Sprung (CMJ) ist nach Wank & Heger (2009) der wohl am weitesten verbreitete Testsprung überhaupt. Er ist leicht auszuführen und der Einfluss koordinativ-technischer Komponenten ist gering. Lange Zeit wurde aufgrund des geringen Materialaufwandes ein Jump and Reach-Test durchgeführt, welcher jedoch aufgrund der Schulterachsenverschiebung im Sprung nicht die exakte Flughöhe des Körperschwerpunkts (KSP) wiedergeben kann. Ein aufwändigeres Verfahren ist die Durchführung von Sprungkrafttests auf einer Kraftmessplatte inklusive der Videoaufnahme und anschließenden Analyse.

Im Rahmen des Seminars Messwertaufnahme 2 im SS 2012 kam die Frage auf, ob eine zusätzliche Ausholbewegung der Arme beim Counter-Movement-Jump (CMJ) zu einer Steigerung der Sprunghöhe gegenüber Sprüngen ohne Armbewegung führt. Es wird erwartet, dass bei Sprüngen mit Ausholbewegung der Arme größere Sprunghöhen erzielt werden. Deshalb wurden folgende Hypothesen aufgestellt, die es zu untersuchen gilt:

H0 – Hypothese: Die Ausholbewegung der Arme beim Counter-Movement-Jump (CMJ) hat keinen positiven Einfluss auf die Sprunghöhe.

H1 - Hypothese: Die Ausholbewegung der Arme beim Counter-Movement-Jump (CMJ) hat einen positiven Einfluss auf die Sprunghöhe

Zu diesem Zweck wurde eine Untersuchung mit 4 Probanden (Sportstudenten) durchgeführt, bei der jeder Proband jeweils drei Sprünge mit Ausholbewegung und drei ohne ausführen musste. Die Sprünge wurden auf einer Kraftmessplatte durchgeführt und mit dem QUALISYS© System aufgezeichnet.


Methoden

Versuchsaufbau

 CMJ mit Armeinsatz
Abb. 1: Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau gestaltet sich folgendermaßen: Im Komplexlabor befindet sich im Boden eingelassen eine Kraftmessplatte (von KISTLER©) mit Piezzoelementen, welche an den PC gekoppelt ist. Des Weiteren hängen im Raum 8 Infrarot-Kameras (Aufnahmefrequenz: 250Hz) des QUALISYS© Motion Capture Systems, welches die Bewegung der Marker-Punkte im Raum aufzeichnet. Vor dem Einsatz werden die Kameras über einen Winkel und ein Ausrichtungstool auf die Raumkoordinaten kalibriert. Am PC sind die Software von QUALISYS© und die BioWare® Software der Kraftmessplatte „getriggert“, um die Daten exakt zum gleichen Zeitpunkt aufzuzeichnen. Um eine zusätzliche Kontrolle bei der Datenauswertung zu haben, wurden die einzelnen Sprünge noch mit einer Videokamera gefilmt. Diese kann ebenfalls mit den QUALISYS© System gesteuert werden.

 CMJ mit Armeinsatz
Abb. 2: Marker

Es wurden 18 Marker geklebt, davon 9 auf der linken und 9 auf der rechten Körperseite (Schläfe, Schulter, Ellenbogen, Handgelenk, Hand, Hüfte, Knie, kleiner und großer Zeh). Für unseren Versuch wurde nur der rechte Hüftmarker verwendet, welcher am Trochanterknochen (s.Abb 3) angebracht ist, um die Sprunghöhe zu ermitteln. Die Auswahl des Trochanterknochens erfolgte, da der Knochenansatz (Rollhügel) leicht zu ertasten ist und weil der Hüftknochen ein steifer Drehpunkt ist, durch welchen die Sprünge im Gegensatz zu anderen Gelenken (z.B. Kniegelenk, welches mehr Freiheitsgrade hat) nicht verfälscht werden können.

 CMJ mit Armeinsatz
Abb. 3: Knochenbezeichnungen Hüftgelenk


Durchführung

Nachfolgend eine Bewegungsbeschreibung für den Counter- Movement- Jump nach Frick, Schmidtbleicher und Wörn (1991): „Ausgangshaltung ist der aufrechte Stand. Unmittelbar nach einer schnellen Ausholbewegung (bis zu einem Kniegelenkwinkel von etwa 90 Grad), bei der die Beinstreckmuskulatur entgegen ihrer Arbeitsrichtung gedehnt wird (exzentrische Arbeitsweise), erfolgt eine explosive, maximale Streckbewegung (konzentrische Arbeitsweise).“

Beim CMJ mit Armeinsatz werden die Arme zunächst parallel zur Körperlängsachse (KLA). In der Ausholbewegung werden die Arme nach hinten oben geführt, um sie darauf folgend als Schwungelement wieder nach vorne oben zu führen und dabei annähernd in einer Achse mit der KLA zu sein.

Beim CMJ ohne Armeinsatz werden die Arme seitlich in der Hüfte verschränkt und dürfen sich während des gesamten Sprungs nicht davon lösen.

Im Folgenden ist jeweils eine Bilderreihe eines Probanden zu den CMJ Sprüngen mit und ohne Armeinsatz zu sehen. Die Sprünge der Versuchsreihe wurden zur zusätzlichen Kontrolle gefilmt und der Proband ist mit den QUALISYS© Markern beklebt.

 CMJ mit Armeinsatz
Abb. 4: CMJ mit Armeinsatz

 CMJ ohne Armeinsatz
Abb. 5: CMJ ohne Armeinsatz


Das QUALISYS© System wurde mit den zugehörigen Tools kalibriert und die Probanden eingewiesen. Die Probanden wurden mit diversen reflektierenden Markern des QUALISYS© Systems beklebt. Die PC Software und die Videokamera wurden gestartet. Auf die Anweisung des Controllers hin, betraten die Probanden die Kraftmessplatte. Nach einer kurzen Standzeit wurde dann immer ein Sprung ausgeführt. Die Counter-Movement-Jumps mit und ohne Arme wurden im Wechsel ausgeführt und den Springern eine Pause von 2 Minuten gegeben.


Datenauswertung

Für die Auswertung unserer Hypothesen haben wir die Messdaten die uns das QUALISYS© Systems geliefert hat in MATLAB ausgewertet. Um die Hüfthöhe der einzelnen Probanden zu bestimmen, wurden jeweils die höchsten Werte des rechten Trochanters genutzt. Die Frames von 2sek Standzeit vor dem Sprung wurden dafür gemittelt. Die Sprunghöhe wurde dann in MATLAB ebenfalls über der höchsten Punkt des Trochanter Markers bestimmt. Die Differenz des höchsten Wertes und der ermittelten Hüfthöhe ergab die Sprunghöhe. Diese Funktion wurde für alle Sprünge der vier Probanden genutzt. Mit den ermittelten Sprunghöhen, Hüfthöhen und deren Mittelwerten mit Standardabweichung wurden dann verschiedene Diagramme in Excel erstellt, um die Sprunghöhen und die Unterschiede der Probanden grafisch darzustellen. Mit den Daten aus MATLAB wurde danach ein t-Test mit SPSS durchgeführt um die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Signifikanz zu prüfen.


Probanden

IB (182), LH (183), RM(183), PS(174)

Alle Probanden sind Sportstudenten. Die Abkürzungen IB, LH, RM und PS stehen für deren Initialien, in Klammern sind die Körpergrößen in cm aufgeführt.


Ergebnisse

Für die Bestimmung der Sprunghöhe wurden die Hüfthöhe und die Sprunghöhe der QUALISYS© - Daten für jede Aufnahme bestimmt. Es erfolgte die Unterteilung in 2 Gruppen (0: mit Arme (mA); 1: ohne Armeinsatz (oA)). Für diese Werte wurde anschließend in SPSS ein t-Test für abhängige Stichproben angewendet, um zu überprüfen, ob signifikante Unterschiede hinsichtlich der Sprunghöhe der Probanden zwischen den beiden Sprungarten bestehen.

Die Sprunghöhen sind nachfolgend in Tabelle 1 aufgeführt.

Tab 1.: Alle Sprunghöhen (mit und ohne Armeinsatz)

IB LH RH PS
Hüfthöhe (cm) 92,28 92,30 93,26 87,34
CMJ oA (cm)
CMJ oA 1 34,40 38,30 36,11 46,23
CMJ oA 2 32,90 40,12 36,30 48,12
CMJ oA 3 32,90 38,49 34,00 49,44
CMJ mA (cm)
CMJ mA 1) 38,74 48,09 37,86 59,00
CMJ mA 2 38,90 50,78 36,36 60,05
CMJ mA 3 38,32 43,61 39,27 55,53

Mittelwerte der Sprünge mit und ohne Armeinsatz
Abb. 6: Mittelwerte der Sprünge mit und ohne Armeinsatz +- SD

Die Gruppe mit Armeinsatz (n = 12; M = 45.543; SD = 8.812) erzielte höhere Werte bei der Sprunghöhe als die Gruppe ohne Armeinsatz (n = 12; M = 38.943; SD = 5.898). Der auf unsere Daten angewendete t-Test für abhängige Stichproben ergab einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (t = 5.807; p < 0.05; df = 11).

In Abbildung 6 ist zu sehen, dass die CMJ mit Armeinsatz im Mittel höher sind als die CMJ ohne Armeinsatz. Der Mittelwert der Sprünge mit Armeinsatz war 16,95% höher als ohne Armeinsatz.


Vergleich der Sprunghöhen der Probanden untereinander
Abb. 7: Vergleich der Sprunghöhen der Probanden untereinander

Abbildung 7 ist eine Gegenüberstellung der vier Probanden mit ihrem jeweils höchsten Sprung mit Armeinsatz (mA) und ohne Armeinsatz (oA).
Die Steigerung der Probanden verteilt sich wie folgt: IB 13%, LH 26,6%, RM 8,2%, PS 21,5%.


Die nachfolgenden Abbildungen stellen noch einmal alle ausgeführten CMJ mit und ohne Arme der einzelnen Probanden gegenüber.

Vergleich aller Sprünge der einzelnen Probanden
Abb. 8: : Vergleich aller Sprünge der einzelnen Probanden.


Diskussion

Die Annahme, dass das zur Hilfe nehmen der Arme beim CMJ einen positiven Einfluss auf die erzielte Sprunghöhe hat sich bestätigt. Dies zeigt sich bei allen Probanden. Lediglich beim Proband RH konnte bei seinem zweiten Sprung keine Verbesserung der Sprunghöhe erzielt werden (s. Abb. 5). Dies stellt aber die einzige Ausnahme dar. Die SPSS Analyse unter Anwendung des t-Tests lieferte ein signifikantes Ergebnis.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der zusätzliche Armeinsatz beim CMJ die Sprunghöhe verbessert. „ …, sollten die Arme vor dem Abflug ihr Geschwindigkeitsmaximum erreichen. Durch Abbremsen der distalen Massen wird der Armimpuls auf den Restkörper (KSP ohne Arme) übertragen. So ergibt sich aus dem bei der Schwungeinleitung resultierenden Geschwindigkeitsdefizit ein Geschwindigkeitsgewinn in der Abflugphase“ (Wank, V. & Heger, H. , 2009, S. 220).

Methodenkritik

Die reflektierenden Marker des QUALISYS© Systems lösten sich teilweise während der Aufnahmen durch die Sprungbewegung. Der zweite Hüftmarker (linke Seite) hätte verwendet werden sollen, um aus den beiden ermittelten Werten den Mittelwert zu errechnen, da es anatomisch nicht möglich ist 100% gerade da zu stehen. Dass nur der rechte Trochantermarker zur Sprunghöhenermittlung verwendet wurde, hat sich im Nachhinein als Fehler herausgestellt, da eine mögliche Hüftachsenverschiebung außer Acht gelassen wurde. Des Weiteren fiel es den Probanden anfangs schwer, wieder auf der Kraftmessplatte zu landen bzw. eine natürliche Sprungbewegung auszuführen trotz der Vorgabe wieder auf der Platte zu landen.

Sicherlich wäre eine größere Anzahl an Probanden und ebenso eine höhere Anzahl an Sprüngen pro Proband von Vorteil gewesen. Dies hätte jedoch den Rahmen unserer Untersuchung überschritten. Tab1. zeigt, dass die Sprungwerte der Probanden sehr hohen Streuungen unterliegen, was wahrscheinlich an den unterschiedlichen physischen Voraussetzungen der Versuchspersonen liegt. Ein weiterer Grund für die hohe Streuung dürfte die geringe Vorerfahrung im CMJ sein, auch wenn dieser wie erwähnt, keinen hohen Anforderungen unterliegt. Allerdings ist auch ersichtlich, dass die Sprunghöhen mit steigender Versuchszahl nicht immer verbessert werden konnte. Betrachtet man beispielsweise die Sprunghöhen vom Proband LH (Abb. 5), so ist der dritte Sprung zumindest beim Sprung mit Armeinsatz der schwächste. Die Vorerfahrung von zwei Sprüngen hat hier also keinen Effekt gehabt. Eine Ermüdung ist nicht auszuschließen und nachfolgende Studien müssen eventuell mit längeren Pausenzeiten oder verteilt auf mehrere Testtage durchgeführt werden.

Zusammenfassung

Wir haben anfangs vermutet, dass sich ein Armeinsatz bei Sprüngen positiv auf die Sprunghöhe auswirkt. Diese Vermutung wollten wir anhand unseres Versuches mit dem CMJ bestätigen. Hierfür haben wir vier Probanden jeweils drei CMJ mit Armeinsatz und drei ohne Armeinsatz durchführen lassen. Vorher wurden die Probanden mit einem reflektierenden Marker am Hüftknochen beklebt, über welchen wir die Sprunghöhe gemessen haben. Die Daten wurden mit dem QUALISYS© System aufgezeichnet.

Die Ergebnisse haben unsere anfängliche Vermutung bekräftigt, welche durch die Signifikanz des t-Tests bestätigt worden ist. Wir vermuten, dass sich durch die geringe Vorerfahrung der Probanden und die unterschiedlichen physischen Voraussetzungen die hohe Streuung der Sprungwerte ergeben hat, was sich bei der geringen Anzahl an Probanden und Sprüngen pro Proband ungünstig auf das Ergebnis auswirkt. Zukünftige Untersuchungen sollten hier auf eine höhere Probandenanzahl und eine höhere Sprungzahl pro Proband setzen. Ebenso sollte eventuell eine längere Pausenzeit eingeplant werden. Schwer einzuschätzen ist der Punkt der mangelnden Erfahrung, denn auch mit steigender Sprungzahl konnte die Sprunghöhe unserer Probanden nicht immer verbessert werden. Eventuell könnte hier bei weiteren Untersuchungen eine Gruppe mit Vorerfahrung in Form von Trainingseinheiten und eine Gruppe ohne eingesetzt werden. Aufgrund unserer Ergebnisse und älteren Untersuchungen kann man jedoch zu dem Schluss kommen, dass der Armeinsatz beim CMJ einen positiven Effekt hat und zu einer Verbesserung der Sprunghöhe führt.


Literatur

Frick, U., Schmidtbleicher, D. & Wörn, C. (1991). Vergleich biomechanischer Meßverfahren zur Bestimmung der Sprunghöhe bei Vertikalsprüngen. Leistungssport, 2, 48-53.

Wank, V. & Heger, H. (2009). Sprünge. In A. Gollhofer & E. Müller (Hrsg.), Handbuch Sportbiomechanik. Schorndorf: Hofmann.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 3: femur.jpg. Zugriff am 21.11.2012 unter http://www.medizinfo.de/becken/images/femur.jpg

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