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fm:bfm:bfm03

BFM3 Beinfunktion

Veranstaltung SE quantitative Forschungsmethodik
Autor Christian Schumacher
Voraussetzung AFM1 Forschungsfrage
AFM2 Hypothesen
AFM3 Forschungsablauf
GM 3 Integration in MATLAB
Bearbeitungsdauer 45 min
Zuletzt geändert 08.11.2014
Status finalisiert
Revision 8.11.2014 (Andre Seyfarth)
Lehrveranstaltung Lernziele sind keine Lernziele sind
PS Forschungsmethoden 2 - Wie ist die Beinachse definiert?
- Was ist Beinsteifigkeit?
- die Beinfunktion als lineare Feder
- eigene Programmierung in Matlab
S quant. Forschungsmethoden - Konzept „Beinfunktion“ zur Beschreibung einer Bewegung
- Beschreibung der Beinfunktion als Feder bei vertikalen Sprüngen
- Vorbereitung auf eine Messung der Beinfunktion im Labor
- eigene Programmierung in Matlab

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Einleitung

Dieses Wiki illustriert die Bearbeitung einer Forschungsfrage am Beispiel einer biomechanischen Fragestellung. Der Forschungsablauf wird von der Erarbeitung der Forschungsfrage über das Aufstellen einer Forschungshypothese bis zur Übertragung in eine Forschungsmethodik (Versuchsdurchführung) vollzogen.

Der Begriff der Beinfunktion

Bei der Beinfunktion handelt es sich um eine vereinfachte Beschreibung der Körperdynamik während des Bodenkontaktes. Dabei wird die mechanische Funktion der beteiligten biologischen Elemente im Körper (Skelett, Muskeln, Sehnen, Bindegewebe, sensomotorisches System etc.) beschrieben. Die beteiligten biologischen Elemente werden in repräsentativen, vereinfachten Elementen zusammengefasst (Abb. 1: Beispiel Weitsprung). So wird beispielsweise die Auswirkung aller beteiligten Muskeln durch ein virtuelles Muskelelement beschrieben (Abb. 1, rechts).

Eine weitere Vereinfachung ist die Abbildung der Funktion des segmentierten Beins auf die Beinachse. Die Beinachse beschreibt die direkte Verbindung von Körperschwerpunkt (Engl.: center of mass = CoM) und Druckmittelpunkt, d.h. Kraftangriffspunkt am Boden (Engl.: center of pressure = CoP).

Abb. 1: Vereinfachungsprozess der Beinstruktur (links, leg structure) auf ein segmentiertes Bein mit Muskulatur (Mitte, segmented leg) und auf ein vereinfachtes axiales Bein (rechts, key elements in leg axis). Erläuterungen siehe Text. (Foto: Guoping Zhao)


Die Vorteile des Konzeptes „Beinfunktion“ sind:

  • bessere Messbarkeit der Beinachse (nur CoM und CoP werden benötigt)
  • einfachere Beschreibung und Untersuchung (im Vergleich zu vielen, nur aufwendig messbaren Elementen im Körper)
  • leichtere Vergleichbarkeit zwischen Probanden

Beispielhafter Forschungsablauf

Zur Illustration der vermittelten Inhalte (AFM1 Forschungsfrage, AFM2 Hypothesen, AFM3 Forschungsablauf) wird der Forschungsablauf anhand eines praktischen Beispiels vorgestellt.

Aufstellen einer Forschungsfrage

Verschiedene aktuelle Ereignisse im Sport zeigen die Relevanz zur Untersuchung der Muskelleistung bei einer veränderten Steifigkeit des Beins (Weitsprung mit Prothesen: Markus Rehm, Sprint mit Prothesen).

<spoiler | Erklärung Beinsteifigkeit > Die Beinsteifigkeit beschreibt das Verhältnis von axialer Beinkraft $ F_B $ zur Kompression (Verkürzung) dL: $ k = F_B / dL. $ Die Beinkraft $ F_B $ ist entsprechend $ F_B = k * dL $ , d.h. das Produkt von Beinsteifigkeit $ k $ und der Beinkompression im Kontakt $ dL $ . </spoiler>

Dabei können auch das Schuhwerk (Sportschuh mit erhöhter Energierückgabe) oder der Untergrund (Füchse entdecken ein Trapolin) einen Einfluss auf die Steifigkeit des Beines ausüben. Es stellt sich die Frage, ob die Leistung des Muskels durch eine Veränderung der Steifigkeit verbessert werden kann. Daraus wird eine entsprechende Forschungsfrage formuliert, die den entsprechenden Kriterien entspricht.

<spoiler | Formuliere die Forschungsfrage! > Wie beeinflusst die Beinsteifigkeit die im Sprung verrichtete Arbeit? </spoiler>

Aufstellen einer Forschungshypothese

Abb. 2: Spiralfeder (Foto: Christian Schumacher)

Damit eine Forschungshypothese abgeleitet werden kann, ist eine Theorie von Nöten, die den Zusammenhang der Forschungsfrage mit messbaren Größen beschreibt. Dafür wird hier eine Theorie vorgestellt:

Verschiedene Untersuchungen legen nahe, dass die Funktion des Beines beim Hüpfen durch eine mechanische Feder (vgl. Abbildung 2) abgebildet werden kann (Farley und Morgenrot, 1999; Farley et al., 1998). Diese Feder wird durch ihre Steifigkeit beschrieben, die den Zusammenhang zwischen der Verkürzung der Beinlänge und der dabei erzeugten Bodenreaktionskraft (GRF) wiedergibt. Je größer die Verkürzung des Beins ist, desto größer wird die Bodenreaktionskraft:

$ k_{Bein} = \frac{F_{max}}{\Delta l{max}} $.

Gleichzeitig beschreiben die Längenänderung und die Steifigkeit des Beins die Energiemenge, die beim Sprung im Bein gespeichert wird. Es wird vermutet, dass mit einer Veränderung der Beinsteifigkeit diese Energiemenge beeinflusst wird, sodass sich eine Veränderung der Sprunghöhe ergibt.

Zur Bestätigung der Theorie und zur Ableitung der Forschungshypothese erfolgt die Untersuchung der Federartigkeit des menschlichen Beins beim stationären vertikalen Hüpfen. Dazu werden die Kraftdaten aus dem Modul GM 3 Integration in MATLAB verwendet. Der bisherige Matlab-Code wird um folgende Zeilen ergänzt, um die Federartigkeit des Beins bei den drei stationären Sprüngen anzuzeigen.

<spoiler | Zeige Matlab Programm >

%% (7) Bestimmung des Absprung- (Takeoff) und Landezeitpunktes (Touchdown)
% Bestimmung der Flugphase (Air = 1)
Air = zeros(length(ay),1);

for n = 1:length(ay)            % Schleife, die jeden Kraftwert mit dem Grenzwert 10 (N) vergleicht:
    if Fy(1,n) < 10             % Wird der Grenzwert unterschritten...
        Air(n,1) = 1;           % ...wird der Vektor Air an der entsprechende Stelle = 1
    end
end

Anstieg = diff(Air);              % Steigung kennzeichnet aufsteigende und abfallende Kante
TO_sprung = find(Anstieg ==1)     % Absprungzeitpunkte
TD_sprung = find(Anstieg ==-1)    % Landezeitpunkte

%% (8) Berechnung der Längenänderung des Beins während der drei stationären Absprünge
dL_1 = y(1,TD_sprung(1):TO_sprung(2))-y(1,TD_sprung(1));   % Absprung 1
dL_2 = y(1,TD_sprung(2):TO_sprung(3))-y(1,TD_sprung(2));   % Absprung 2
dL_3 = y(1,TD_sprung(3):TO_sprung(4))-y(1,TD_sprung(3));   % Absprung 3

</spoiler>

Das Ergebnis der Berechnung ist ein Kraft-Längenänderungs-Diagramm der drei stationären Absprünge. Hier wird die Kraft über der Längenänderung aufgeführt (vgl. Abbildung 3). Die Pfeile deuten den Verlauf der Kurven an. Alle drei stationären Sprünge zeigen bei der Verkürzung des Beins (Landung) eine geringere Bodenreaktionskraft, als bei der Verlängerung (Abdrücken). Das bedeutet, dass die Flughöhe mit jedem Absprung zugenommen hat. Dabei stellt die Fläche, die von einer Kurve eingeschlossenen wird, eine Energiemenge dar. Wird die Fläche im Uhrzeigersinn umschlossen, wird der Bewegung Energie hinzugefügt (die Sprunghöhe nimmt zu). Bei einer entgegen dem Uhrzeigersinn umschlossenen Fläche wird Energie absorbiert, sodass die Sprunghöhe verringert wird.

sprung_1.jpg sprung_2.jpg sprung_3.jpg
Abb. 3: Kraft-Längenänderungs-Diagramm der drei Absprünge

Vergleicht man die drei Kurven mit der Federkennlinie einer (idealen) technischen Feder, die eine Steifigkeit von 20000 N/m aufweist, zeigt sich eine gewisse Ähnlichkeit für das stationäre Hüpfen (vgl. Abbildung 4). Aufgrund der Idealisierung (Vernachlässigung der inneren Reibungswiderstände) zeigt diese keine umschlossene Fläche.

Abb. 4: Vergleich der drei Absprünge mit einer technischen Feder

Aufgrund dieser Ähnlichkeit ist es möglich die Funktion des Beines während des stationären Hüpfens mit Hilfe eines einfachen Feder-Masse-Modell (vgl. Abbildung 5) abzubilden.

Abb. 5: Feder-Masse-Modell beim Bodenkontakt, aus (Farley et al., 1998)

Basierend auf dieser Theorie kann eine entsprechende Forschungshypothese unter Berücksichtigung der geforderten Eigenschaften aufgestellt werden.

<spoiler | Stelle eine Forschungshypothese für das vertikale Hüpfen auf! > Durch eine verminderte Beinsteifigkeit wird eine größere Sprunghöhe erreicht. </spoiler>


Zusammenfassung

Die Beschreibung der Gesamtkörperdynamik durch die Beinfunktion (entlang der Beinachse: CoM - CoP) und die Reduktion der vielen biologischen Elementen auf wenige virtuelle Elemente ermöglicht eine vereinfachte Abbildung und Untersuchung von Bewegungen wie dem Weitsprung oder dem vertikalen Hüpfen. Mit Hilfe des Kraft-Längenänderungs-Diagramm wird deutlich, dass die Beinfunktion bei stationärem Hüpfen einer technischen Federkennlinie ähnelt, sodass die Theorie der federartigen Beschreibung des vertikalen Hüpfens zur Ableitung einer Forschungshypothese genutzt werden kann.



Tutorial





Fragen

  • Aus welchem Grund weist die Beinfunktion Vorteile im Bereich der Messbarkeit gegenüber einer Messung aller biologischen Teilelemente (Muskeln, Sehnen etc.) auf?
  • Warum beschreibt die Beinfunktion die Dynamik des gesamten Körpers und nicht nur des Beines, dass Bodenkontakt hat?
    Tipp: Wie wird die Beinachse gebildet? Was geschieht mit dem Körperschwerpunkt während einer Bewegung?
  • Versteifen sich die Beine, wenn man auf einem Trampolin springt? Wenn ja, warum?
  • Wie sieht der Verlauf des Kraft-Längenänderung-Diagramms aus, wenn der Untergrund in der Flugphase angehoben oder abgesenkt wird? Zeichne einen qualitativen Verlauf.
    Tipp: Wird dem System Energie hinzugefügt? Erhöht sich die Sprunghöhe oder wird sie verringert?


Literatur

  • Farley, C. T., & Morgenroth, D. C. (1999). Leg stiffness primarily depends on ankle stiffness during human hopping. Journal of biomechanics, 32(3), 267-273.
  • Farley, C. T., Houdijk, H. H., Van Strien, C., & Louie, M. (1998). Mechanism of leg stiffness adjustment for hopping on surfaces of different stiffnesses. Journal of Applied Physiology, 85(3), 1044-1055.



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